Das alte Lied „Völlig losgelöst“ (bekannt als „Major Tom“) wurde bei der Fußball-Europa-Meisterschaft vom DFB offiziell zur Torhymne der deutschen Mannschaft bestimmt und wird bei jedem Tor in den Stadien gespielt. Wenn ich es bei den Fernseh-Übertragungen höre, läuft mir jedes Mal ein Schauer über Rücken. Der Text handelt vom Suizid eines depressiven Raumfahrers. Niemand erwähnt das. Dass das Lied bei Partys gegrölt und in der Adidas-Werbung gespielt wird, ist geschmacklos genug. Ein Klick bei Google reicht, um den Text zu lesen. Es von der Zentrale des Deutschen Fußball zum offiziellen Song für Torjubel auszuwählen, ist für mich unfassbar. Er kann bei vielen Menschen, die einen Angehörigen oder eine Freund*in durch Suizid verloren haben und vielleicht dadurch traumatisiert sind, Schrecken reaktivieren. Dieses Lied ist keine Hymne. Es als Jubel zu spielen, ist entwürdigend.
Startseite
Erinnern und Gedenken
Auf einem evangelischen Kirchentag in Berlin wurde darüber diskutiert, was Erinnern und Gedenken unterscheidet. Meine Antwort auf diese Frage lautet:
Erinnern ist ein offener Prozess des Erlebens. Wir erinnern uns mit unserem Denken und Fühlen. Wir können uns bewusst an etwas erinnern (das lernen wir in der Schule) und wir werden von Erinnerungen überfallen, manchmal überflutet (wie bei traumabedingten Flashbacks). Es gibt Erinnerungen, die guttun, und solche, die uns schmerzen …
Wenn Blicke nicht aushaltbar sind…
Menschen, die traumatische Erfahrungen machen mussten, werden oft von Blicken „getriggert“, das heißt, dass Blicke anderer Menschen die leibliche Erinnerung an Traumata, z. B. sexuelle Gewalt auslösen. Für sie sind Blicke oft nicht aushaltbar, da Augenkontakt mit Hilflosigkeit und Opfersein verbunden ist. Sie haben vielleicht die Erfahrung, von Tätern „ausgeguckt“ worden zu sein – unbefangener Blickkontakt ist für sie dann meist unerträglich.
Gleichzeitig spüren sie oft eine große Sehnsucht, gesehen zu werden – allerdings mit Respekt. Sie befinden sich folglich in einem Dilemma, sich nach Blickkontakt zu sehnen und ihn gleichzeitig nicht auszuhalten. Mit diesen Menschen hat sich ein Weg bewährt, den wir Fächertanz nennen. Er ermöglicht, mit Hinschauen und Wegschauen, Sich-Verstecken und Sich-Zeigen zu spielen und so neue Erfahrungen mit Blicken zu machen.
Schwäche zeigen ist stark
Als Emma weint, lachen andere Kinder sie aus: »Heulsuse, Heulsuse!« Emma weint oft. Sie hat ihre Mutter verloren und ist seitdem sehr verunsichert und den Tränen sehr nahe.
Die Erzieherin möchte Emma schützen und bemüht sich, die anderen Kinder zu stoppen. Das gelingt nur kurzfristig. Also bietet sie eine Gruppenarbeit zum Thema an: »Wenn mir etwas weh tut.« Die Kinder erzählen von aufgeplatzter Haut am Knie, von Bauchschmerzen, vom gebrochenen Arm … »Kennt ihr auch Schmerzen, die man nicht sieht? Dass es innendrin weh tut, im Kopf oder im Herzen, in den Gedanken?« Urs sagt, dass er oft traurig ist, dass sein Papa nicht mehr bei ihnen wohnt. Auch andere erzählen.
Die Erzieherin erzählt vom Schmerzfresserchen, einem Wesen, das den Schmerz aufessen kann. Aber nur, wenn ein Kind den Schmerz zeigt. Zum Beispiel, indem es weint. Mit Tränen kann der Schmerz herausfließen. Wenn Kinder weinen, weiß das Schmerzfresserchen, dass es helfen muss.
Die Kinder malen ihr Schmerzfresserchen.
Dieses Beispiel zeigt, wie verpönt es immer noch ist, Schmerzen und damit Schwäche zu zeigen. Die Erzieherin geht damit beispielhaft um, sie macht es zum Thema der ganzen Gruppe.
Es gibt zahlreiche tolle Angebote, in denen Kinder ermutigt werden, stark zu werden. »Starke Kinder …« und andere mehr. Diese Angebote sind hilfreich. Doch es fehlt etwas. Kinder brauchen auch die Erlaubnis, ihre Schwäche zu zeigen – oder das, was dafür gehalten wird. Ihre Angst, ihre Traurigkeit, ihre Unsicherheit …
Alle Kinder, und traumatisierte Kinder besonders, brauchen eine Ermutigung, ihre Schwächen zu zeigen. Nur dann können sie geteilt werden und geteiltes Leid ist halbes Leid. Nur dann können sie getröstet werden oder andere Unterstützung erfahren. Machen Sie die Erlaubnis, schwach zu sein, zum Thema. Unterstützen Sie Kinder, die ihre Not zeigen. Seien Sie Vorbild, indem Sie auch einmal teilen, dass Ihnen etwas weh tut oder Sie nicht so gut drauf sind.
Ermutigen Sie Kinder, ihre Schwächen zu zeigen.
Buchtipp:
Udo Baer „Traumatisierte Kinder sensibel begleiten“
Basiswissen und Praxisideen
In jeder Kita-Gruppe gibt es ungefähr ein bis zwei Kinder, die eine traumatische Erfahrung machen mussten, z. B. durch das eigene Erfahren und Miterleben von Gewalt und Missbrauch, Flucht, Tod oder Konfrontationen mit alters unangemessenen Inhalten in digitalen Medien. Diese Zahlen zeigen: Das Thema Trauma ist kein fernes Problem, es kann frühpädagogischen Fachkräften in ihrem Kita-Alltag begegnen.
Das Praxisbuch bietet Basiswissen rund um Traumata bei Kindern, z. B.: Was ist ein Trauma, welche Folgen kann es haben, wie lässt es sich erkennen, was tue ich bei einem Verdacht, wie sollte ich mich verhalten?
Als praktisch ausgerichteter Teil folgt eine breite Palette an Informationen und Angeboten, wie Kinder (trauma-)sensibel begleitet werden können, u. a. Fallbeispiele, Gesprächshinweise sowie zahlreiche Spiele und Übungen, die der Stärkung und der Überwindung von Traumafolgen dienen wie ein Angstfresserchen malen oder Stoppsagen lernen. Alle Aktivitäten fördern auch Kinder, die keinen traumatischen Erfahrungen ausgesetzt waren.
Traumatisierte Heimkinder im Alter – einige Erfahrungen
1 Am Ende einer Veranstaltung wurde die Frage gestellt: Wie kann ich vertrauensvoll im Alter in eine evangelische Einrichtung gehen, wenn ich als Kind in einem evangelischen Heim traumatisierende Gewalt erfahren habe?
Die Antwort nach meinen Erfahrungen lautet: Gar nicht.
Dieses Vertrauen ist nicht wiederzugewinnen. Die einzige Ausnahme, die ich kenne, existiert dann, wenn es eine vertrauensvolle persönliche Verbindung zur Leitung einer Einrichtung der Altenhilfe gibt. Aber das ist sehr, sehr selten.
2 Viele betroffene ehemalige Heimkinder werden durch die Einrichtung „Heim“ getriggert, unabhängig von der Trägerschaft. Der Geruch des Reinigungsmittels, ein langer Flur, feste Essenszeiten, Schritte im Flur … all das und viel mehr kann die Schrecken der Vergangenheit mobilisieren. Deswegen braucht es Alternativen zu Heimen, Wohngemeinschaften, wie Paula sie in Köln plant, ambulante Betreuung oder wie in dem Haus in Berlin-Neukölln: drei der 40 Wohnungen sind an einen Verein vermietet, der sie an traumatisierte Menschen weitervermietet und mit ihnen Kontakt hält. Letzteres wäre eine Option für diejenigen, für die selbst eine Wohngemeinschaft nicht aushaltbar wäre.
3 Es gibt betroffene Menschen, die nicht in ein wie auch immer geartetes Heim gehen wollen und können, und es gibt zahlreiche traumatisierte ehemalige Heimkinder in den bestehenden Heimen. Deswegen müssen den Mitarbeiter*innen dieser Einrichtungen Kenntnisse und Kompetenzen über Traumata und deren Folgen und den Umgang damit vermittelt werden. Ein Drittel bis zwei Drittel, je nach Alterskohorten, der Menschen in Einrichtungen der Altenhilfe sind traumatisiert. Heimkinder leiden unter den Besonderheiten ihrer traumatisierenden Erfahrungen UND sie stehen im Zusammenhang der zahlreichen Traumafolgen, die sich in der Altenhilfe zeigen und Würdigung brauchen.
4 Jeder Mensch, der traumatisierenden Schrecken erleben musste, wurde entwürdigt. Traumata sind Beziehungsverletzungen. Beziehungsverletzungen brauchen Beziehungsheilung, neue Beziehungserfahrungen mit Menschen, die würdigen. Dazu gehört, dass anerkannt wird, was Schlimmes diesen Menschen zugefügt wurde. Von Institutionen und Personen. Das sollte selbstverständlich sein. Dazu gehört auch tätige Reue. Institutionen und Personen müssen tätig werden, um den Opfern zu helfen, und sie müssen dafür aktiv eintreten, dass nie wieder solche Traumatisierungen geschehen.
Udo Baer
Was tun, wenn man zum Täter oder zur Täterin wird oder zu deren Kompliz*innen?
Angehörige, vor allem männliche Partner, können auf vielfältige Weise die Rolle eines Täters oder einer Täterin zugewiesen bekommen und diese einnehmen. Vielleicht suchen Sie sich der traumatisierten Partnerin sexuell anzunähern oder Sie widersprechen ihr oder Sie äußern einen aggressiven Satz, weil sie sich ärgern … – all das kann das Erleben der traumatisierten Person so triggern, dass Sie in die Rolle eines Täters gestellt werden. Man bezeichnet dies als Übertragung.
Wenn Sie eine solche Übertragung spüren, dann sollten Sie in jedem Fall innehalten und nicht mit dem, womit Sie gerade mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner beschäftigt sind, fortfahren. Ein wenig Abstand, ein wenig Pause, ein wenig Innehalten sind sinnvoll, damit die Übertragung sich nicht weiter festigt und Sie sich alle in Ihren Rollen als Täter oder Opfer festfahren.
In einem zweiten Schritt steht dann an, die Rollen zu klären, besonders Ihre eigene. Wenn Sie zum Beispiel von Ihrer Frau in eine Täterrolle geschoben werden, dann schlagen wir vor zu sagen: „Ich bin dein Mann und ich liebe dich und ich bin nicht ein Täter.“ Natürlich in Ihren Worten und mit Ihren Ausschmückungen. Sie werden damit nicht sofort durchdringen, aber irgendwann doch. In eine Täterrolle zu geraten, kann man nicht aussitzen.
In einem dritten Schritt ist es dann notwendig sich darum zu kümmern, was Ihre Partnerin, um bei diesem Beispiel zu bleiben, braucht, um aus ihrer Opferrolle herauszukommen. Fragen Sie sie, bieten Sie ihr eine Umarmung an oder sonst etwas, von dem Sie wissen, dass es ihr guttut.
Die größten Schwierigkeiten bereitet es, wenn Sie in eine Übertragungsrolle geraten, die Ihnen eine Täterkomplizenschaft unterstellt. Es macht immer wieder fassungslos, dass und wie lange Menschen zusehen, dass Ihre Kinder vom anderen Elternteil oder anderen nahe stehenden Verwandten und Freunden Gewalt erfahren, oft auch sexualisierte Gewalt. Oft sind es Mütter, die den Töchtern nicht helfen. Ihr Schweigen und ihr Zulassen von Gewalttaten entspricht oft eigener Not, oft drohen ihnen auch die Täter. Diese Mütter haben meist selbst eigene Opfererfahrungen, mit denen sie in ihrer Kindheit und Jugend alleine fertig werden mussten. Das macht die unterlassene Hilfeleistung erklärlich, aber nicht verzeihlich. Auch Opfer haben die Möglichkeit, wenn sie selbst nicht einschreiten können, andere Menschen oder Einrichtungen zu informieren und um Hilfe zu bitten. Und viele tun das. Dies zu unterlassen ist nicht nur unterlassene Hilfeleistung, sondern auch Mittäterschaft und Komplizenschaft.
In familiären und anderen Liebesbeziehungen kann manchmal für die Opfer von traumatisierter Gewalt, die die Komplizenschaft anderer Familienangehöriger erlebt haben, diese Erfahrung dieser Komplizenschaft wieder lebendig werden. Sie können als angehörige Person diese Rolle übertragen bekommen. Möglicherweise werden Sie dann beschuldigt, die traumatisierte Angehörige, „nie“ zu unterstützen und sie und ihre Not „immer“ zu ignorieren. Auch hier gelten die gleichen drei Schritte, die in dem Umgang mit Täterrollen beschrieben worden sind: Erstens innehalten, zweitens aussprechen, was Sie empfinden und was ist, und drittens sich darum kümmern, was die traumatisierte angehörige Person braucht.
Wie können Angehörige mit der Hocherregung umgehen?
Wenn Sie Angehörige oder Angehörige von traumatisierten Menschen sind, dann werden Sie Erfahrungen damit haben, dass diese oft sehr hoch erregt sind. Das gilt für Kinder ebenso wie für Eltern, für Partner oder für Partnerinnen. Die Hocherregung, deren Quellen an anderer Stelle bei den Traumafolgen beschrieben worden sind, kann für Sie störend sein, ja, sogar Leid verursachen. Wenn Sie sehr entspannt sind und jemand anderes sehr hoch erregt, dann werden Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Ihrer Ruhe und Entspannung gerissen. Wenn Sie selbst aufgeregt sind, kann die hohe Erregung traumatisierter Menschen dazu führen, dass sich die Erregungen hochschaukeln, sie zumindest nicht von ihrer Hocherregung herunterkommen können. Manchmal entladen sich Hocherregungen auch in Streitigkeiten oder führen zu Erkrankungen wie Kopfschmerzen oder körperlichen Spannungen.
Wie können Sie damit umgehen? Wenn Sie eine traumatisierte Person lieben – und das unterstellen wir – werden Sie dazu neigen, die Hocherregungsschübe oder die andauernde Hocherregung auszuhalten. Das kann eine Zeitlang gelingen, kann aber auch bei Ihnen zu Unbehagen oder Folgeschäden führen. Also gilt es Wege zu finden zwischen Distanzierung und Aushalten. Ein Weg zumindest kann darin bestehen, dass Sie das, was Sie gerade empfinden, transparent machen. Dass Sie aussprechen, dass zwischen Ihnen und der anderen Person unterschiedliche Erregungsniveaus existieren und dass Sie sich jeweils in einem anderen Zustand befinden. Manchmal hilft schon das Aussprechen. Oft hilft auch die Frage: „Was brauchst du von mir, was möchtest du von mir, wenn du so hoch erregt bist?“. Manchmal kommen Antworten wie: „Ich bin doch gar nicht aufgeregt!“, oder „Dass du meine Aufregung wegmachst!“. Beides ist nicht sehr fruchtbar für den Umgang miteinander. Oft werden auch unterschiedliche Anlässe angeführt, die gerade eine Hocherregung hervorgerufen haben sollen. Diese Anlässe sind sicherlich immer oder in den meisten Fällen ein wichtiger Faktor, dass die Erregung steigt. Doch das allgemein erhöhte Plateau und die grundsätzliche Bereitschaft, dass die Erregung anwächst oder immer wieder hohe Spitzen erreicht, werden durch diese Anlässe nicht erklärbar. Die Quellen liegen in dem traumatischen Erleben, das auf Dauer langfristige Folgen hat und nur mit therapeutischer Hilfe behoben werden kann, wenn die in diesem Buch gegebenen Hinweise allein nicht fruchten.
Manchmal werden Sie auch Antworten hören, die Sie wie viele Angehörige überraschen. Beispiel: „Ich möchte, dass du mich in den Arm nimmst und fest drückst“ oder: „Lass uns mal einen Film gucken, auch wenn jetzt erst Mittag ist!“ oder: „Mir würde es guttun, jetzt mit dir wenigstens ein bisschen spazieren zu gehen.“ Fragen Sie nach solchen Hinweisen und Bedürfnissen und behalten Sie positive Erfahrungen im Sinn, die Erregung reduzieren, damit Sie auch später darauf wieder zurückgreifen können. Auf leisen Sohlen durch das Leben zu gehen, damit die Kinder, Eltern oder Partner*innen keine Hocherregungsschübe bekommen, wird nicht gelingen und engt das Leben auf Dauer sehr ein. Deswegen suchen Sie Transparenz und Dialog, es lohnt sich.
Was ist ein „Notfall-Koffer“?
Ein medizinischer Notfall-Koffer enthält Pflaster und Medikamente, Verbandsmaterial und ähnliches mehr, um Wunden schnell zu versorgen. Hier geht es um einen Notfall-Koffer für die Seele, mit dem traumatisierten Menschen bei seelischen Krisen und andere Belastungen geholfen werden kann. Vorher dafür zu sorgen, dass Möglichkeiten bereitstehen, mit diesen Krisen und Belastungen umzugehen, ist sinnvoll.
In einen solchen seelischen Notfall-Koffer können zum Beispiel gehören:
- Eine Atemübung, die einem gefällt, und/oder ein Bewegungsritual.
- Ein Duft, den man mag und der belebt.
- Eine Musik oder ein Podcast, das stärkt oder ablenkt.
- Ein inneres Bild, das man sich vorstellt, eine positive Szene, an die man sich erinnert, wenn Szenen des Schreckens auftauchen.
- Einen Namen und eine Telefonnummer, um mit jemandem zu reden und Unterstützung zu suchen.
- Kalt duschen.
- Ein neues Kochrezept ausprobieren oder eine Lieblingsserie anschauen, um sich abzulenken.
- Sich schminken.
- Ein Tier spielen.
- Bei steigender Erregung etwas tun, was Erregung abbaut, zum Beispiel ein Beet umzugraben oder ein altes Buch zu zerreißen.
Was in diesem Notfall-Koffer hineinkommt, kann jeder Mensch nur selber für sich entscheiden. Wenn etwas nicht funktioniert, sollte es aus dem Notfall-Koffer entfernt werden, dafür anderes hineingetan werden, mit dem man positive Erfahrungen gemacht hat. Ob der Notfall-Koffer ein wirklicher realer Koffer ist oder eine kleine Tasche oder nur aus einer Liste besteht, auf der der Inhalt des Koffers aufgeschrieben wird, wird jeder Mensch unterschiedlich entscheiden und handhaben.
Trauma, Alleinsein, Einsamkeit
Nach einer traumatischen Erfahrung können manche Menschen nicht mehr allein sein. Sie waren in der traumatischsten Situation allein und konnten sich allein nicht gegen die Gewalt, oft sexualisierte Gewalt wehren. Also meiden sie das Alleinsein. Verständlich.
Doch bei vielen anderen geht das Verhalten in die andere Richtung. Der Kreis des gelebten sozialen Feldes eng sich ein: Es gibt weniger Besuche. Auch Anrufe werden manchmal nicht mehr gern beantwortet oder angenommen. Die sozialen Kontakte reduzieren sich. Für viele ist das unverständlich. Doch die Erklärung liegt auf der Hand:
Fragen an sich selbst – oder andere?
Viele Menschen wälzen Fragen in ihrem Kopf herum: Wie sehen mich die anderen? Bin ich eine gute Mutter? Werde ich von meinen Kollegen geschätzt? Wird meine Nachbarin die Einladung annehmen, mich zu besuchen? …
Insbesondere viele Menschen mit traumatischen Erfahrungen (aber nicht nur diese) erzählen, dass in ihnen solche Fragen im Kopf herumkreisen. Sie zermartern sich das Gehirn, um Antworten zu finden. Doch oft vergeblich – ja meistens sogar. Denn es gibt Fragen an uns selbst, die wir beantworten können, aber viele können wir gar nicht beantworten. Wie man sich als Mutter bewertet, da muss man die Kinder fragen, nicht sich selbst. Ob die Nachbarin eine Einladung annimmt, sollte man die Nachbarin fragen. Man selbst kann diese Frage nicht beantworten.