Was mache ich, wenn … ein Flüchtling aus dem Irak sich weigert, mit mir als Frau zu sprechen?

Dann können Sie in der Regel nichts daran verändern. Dieses Verhalten ruft Gefühle von Hilflosigkeit hervor, vielleicht auch von Zorn, von Traurigkeit, Enttäuschung … Und doch werden Sie in den meisten Fällen an der Situation nichts ändern können. Weiter lesen

Was mache ich, wenn … Flüchtlinge, mit denen ich arbeite, überangepasst sind und gar nicht auffallen? Kann das auch eine Folge von Traumatisierungen sein?

Ja, das kann der Fall sein. Eine traumatische Erfahrung ist ein Erleben existentieller Bedrohung. Die Folge ist, dass Menschen alles tun, um sich solchen Situationen nicht mehr auszusetzen. Ein Weg besteht darin, sich wie ein Chamäleon zu verhalten, sich also an unterschiedliche Gegebenheiten anzupassen. Oft erfolgt das so in solch extremer Stärke, Weiter lesen

Was mache ich, wenn … ich mich an die fremdsprachigen Namen nicht mehr erinnere oder sie nicht richtig aussprechen kann, wie zum Beispiel bei Flüchtlingen aus dem arabischen Raum oder aus Afrika?

Namen sind wichtiger Ausdruck unserer Identität. Sie sind Ausdruck dessen, was uns einzigartig und unverwechselbar macht. Deswegen ist es für alle Menschen wichtig, mit dem Namen richtig angesprochen zu werden. Viele Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland sind verletzt, wenn noch nach Jahren zum Beispiel türkische Namen nicht richtig ausgesprochen werden, zum Beispiel das türkischen „Z“ wie ein deutsches „Z“ ausgesprochen und nicht mit einem weichen „S“. Wenn Menschen den Eindruck haben, dass sich niemand darum bemüht, ihren Namen richtig auszusprechen oder ihn zu behalten, dann fühlen sie sich meistes verletzt. Das gilt insbesondere dann, wenn diese Menschen traumatisiert sind und folglich unter Indentitäts-Verunsicherungen leiden. Weiter lesen

Was mache ich, wenn … bei einer Gruppe mit traumatisierten Menschen jemand den Raum verlässt?

Wenn sie zu zweit die Gruppe leiten, ist es relativ einfach. Eine Person geht hinterher, die andere arbeitet weiter mit den Anwesenden. Auch hier ist es wichtig zu erklären, was passiert ist, zu sagen: „Meine Kollegin geht jetzt hin-terher, um zu schauen, was die Person XY braucht. Wir sorgen dafür, dass ihr nichts passiert, und ich bleibe bei Ihnen und wir arbeiten weiter.“ Transparenz und Klarheit sind wesentliche Bestandteile, weil die Gruppenteilnehmer/innen sonst in der Verunsicherung angesteckt werden und sie die Transparenz und Klarheit als Halt und Sicherheit benötigen. Weiter lesen

Was mache ich, wenn … eine Person, die über traumatische Erfahrungen erzählt, heftig zu weinen beginnt?

Dann lassen Sie sie weinen. Weinen ist das Gefühl des Loslassens. Im Weinen löst sich Schmerz. Mit jeder Träne verlässt ein Stück des Kummers unser Herz und unsere Seele.

Viele traumatisierte Menschen können nicht weinen und können nicht trauern. Denn der Schreck der existenziellen Bedrohung und Überforderung hat sie zumindest zum Teil seelisch erstarren lassen. Dass sie weinen, ist ein Zeichen, dass Sie mit dieser Person vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut haben, dass sie Ihnen so vertraut, dass sie loslassen und ihre Tränen zeigen kann.
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Angstfresser (Angst 5)

Dieser Artikel ist Teil 5 von 5 der Artikel-Serie Angst

Michael Ende hat eine schöne Geschichte vom Traumfresser geschrieben. Zusammengefasst geht sie so: Die Tochter eines Königs hat schlimme Alpträume. Der Vater beauftragt alle Heiler, seine Tochter davon zu befreien. Doch niemand kann helfen. Da zieht der Vater in die Welt hinaus, um Hilfe zu holen. Doch alles ist vergeblich. Da sinkt er am Ende der Welt auf einen Stein und weint. Nun kommt ein seltsames Wesen auf ihn zu und fragt, warum er so weine. Der König erzählt seine Geschichte. Das Wesen antwortet ihm: „Das trifft sich ja gut. Ich bin ein Traumfresser. Ich ernähre mich von Träumen. Je schlimmer die Träume sind, desto lieber esse ich sie.“ Der Traumfresser begleitet den König nach Hause und frisst die bösen Träume der Tochter weg.

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Das Maß der Angst (Angst 4)

Dieser Artikel ist Teil 4 von 5 der Artikel-Serie Angst

Oft wird von Kindern wie von Erwachsenen gesagt, dass ein „bisschen Angst“ okay sei, aber zu viel Angst falsch und gefährlich. Man müsse das „richtige Maß“ finden. Die Frage nach dem „Maß der Angst“ beschäftigt viele Menschen und deswegen ist es sinnvoll, darüber ein wenig nachzudenken.

Zunächst einmal hat kein Gefühl ein „Maß“ im Sinne eines vergleichbaren Maßstabs. Welches Maß hat Ihre Liebe? Welches Maß kann die Trauer der Frau haben, die ihren Mann verloren hat? Welches Maß das Mädchen, das um die weggezogene Freundin trauert und sich nach ihr sehnt? Hier ein Maß zu verlangen, unterstellt, dass eine „richtige“ Vorgabe geben könnte. Wer will Liebe oder Trauer begrenzen? Wer will ein Maß der Angst oder der Sehnsucht vorgeben? Niemand kann das guten Gewissens tun. Der Grund ist einfach: Gefühle sind individuell und subjektiv. Deswegen ist das Maß des Fühlens ebenfalls bei jedem Menschen verschieden und wird unterschiedlich erlebt. Das müssen wir Menschen akzeptieren. Wir bekräftigen mit diese Akzeptanz die Einzigartigkeit eines jeden Menschen.

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Angst und Wirksamkeit (Angst 3)

Dieser Artikel ist Teil 3 von 5 der Artikel-Serie Angst

Menschen, die traumatisierende existenzielle Bedrohungen erlebt haben, spürten ein Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit. Ihnen ging das Gefühl, wirksam zu sein, etwas bewirken zu können, verloren. Ihr „Nein“ wurde bei sexueller Gewalt nicht gehört, ihr „Stopp“ konnte die Gewalt nicht beenden, sie waren ohnmächtig gegen Schüsse und Bomben. Wenn Sie und die Kinder, Jugendlichen oder Erwachsenen, mit denen Sie arbeiten, die Bilder und Nachrichten von Paris und anderen Terrorattacken sehen, dann spüren Sie alle Mitgefühl mit den Opfern. Sie identifizieren sich mit ihnen und auch mit deren Angst und deren Gefühl von Wirkungslosigkeit. In der Angst, die mitfühlende Menschen ergreift, ist auch das Gefühl der Wirkungslosigkeit enthalten. Gegenüber der Gewalt des Krieges und des Terrors sind wir wirkungslos.

Dass wir Menschen wirksam sind, spüren wir im Alltag kaum. Dieses Gefühl bemerken wir vor allem, wenn es uns verloren gegangen ist.

Deswegen ist es ein wichtiger Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Angst, sich mit dem Gefühl der Wirkungslosigkeit auseinanderzusetzen bzw. mit dem, was Menschen wirksam macht. Dazu kann gehören:

  • Fragen und diskutieren Sie: Auf welche Menschen haben wir Einfluss? Wer hört uns zu? Wer hört wenigsten manchmal auf uns?
  • Initiieren Sie Aktionen, die die Angst, die Trauer, den Zorn zeigen. Auch das ist eine Form, wirksam zu sein und aus der Lähmung ins Handeln zu geraten.
  • Initiieren Sie Unterstützungsaktionen für die Opfer, Zeichen der Solidarität.
  • Die Gewalttäter wenden sich gegen die Menschenwürde. Reden Sie darüber, was alle, jedes Kind, jeder Erwachsene für die Würde der Menschen tun können.

 

 

Angst und Geborgenheit (Angst 2)

Dieser Artikel ist Teil 2 von 5 der Artikel-Serie Angst

Ein wichtiges Gegenteil von Angst, v.a. von existenzieller Angst, ist Geborgenheit. Gegen das Wachsen der Angst und gegen die Angst, von Ängsten überflutet zu werden, hilft es, sich mit Geborgenheit zu beschäftigen. Deswegen ermutigen Sie, über Ängste zu reden, UND machen Sie Geborgenheit zum Thema.

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Das Recht auf Angst und das große UND (Angst 1)

Dieser Artikel ist Teil 1 von 5 der Artikel-Serie Angst

Seit den Anschlägen von Paris geht das Gespenst der Angst umher. Die Menschen, junge wie alte, haben Angst, dass sich Terroranschläge wiederholen. Viele Aufrufe gibt es, sich von der Angst „nicht unterkriegen“ zu lassen und den Terroristen zu zeigen, dass „wir keine Angst haben“. Doch so einfach ist es nicht. Die Angst ist vorhanden, auch bei alten Menschen, auch bei Angehörigen, auch bei Mitarbeiter/innen und vielen anderen. Ich werde deshalb in einigen Beiträgen auf die Ängste eingehen und Anregungen für den Umgang mit der Angst geben. Und für Menschen, die Traumata erlebt heben, mobilisieren diese Ereignisse und die darauf folgenden Atmosphären den alten Schrecken.

 

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