Dann lassen Sie sie weinen. Weinen ist das Gefühl des Loslassens. Im Weinen löst sich Schmerz. Mit jeder Träne verlässt ein Stück des Kummers unser Herz und unsere Seele.
Viele traumatisierte Menschen können nicht weinen und können nicht trauern. Denn der Schreck der existenziellen Bedrohung und Überforderung hat sie zumindest zum Teil seelisch erstarren lassen. Dass sie weinen, ist ein Zeichen, dass Sie mit dieser Person vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut haben, dass sie Ihnen so vertraut, dass sie loslassen und ihre Tränen zeigen kann.
Viele traumatisierte Menschen haben Angst davor, zu weinen; haben Angst, ihre Trauer zu zeigen und zu teilen. Oft wurzelt diese Erfahrung darin, dass die Menschen mit ihrem Traurigsein allein gelassen wurden oder sich allein gelassen fühlten; dass sie ihren Schmerz nicht teilen konnten und nicht ge-tröstet wurden. Wenn ein Mensch in Ihrer Begleitung zu weinen beginnt, ist es deshalb besonders wichtig, dass Sie ihn nicht allein lassen und dass Sie ihn trösten. Bleiben Sie da, hören Sie zu, bestätigen Sie den Schmerz: „Ja, das ist schlimm.“, „Ja, das ist traurig. Sie haben ein Recht, traurig zu sein.“ Solche Äußerungen schaffen Verbindung und festigen Vertrauen.
Wie Sie trösten können, hängt von Ihnen und der Person ab, die Sie begleiten. Überlegen Sie, was hat Sie selbst getröstet. Fragen Sie sich, was könnte Ihr Gegenüber jetzt gebrauchen? Und dann folgen Sie Ihren Impulsen. Wenn Sie den Impuls haben, den Menschen zu berühren, dann fragen Sie: „Darf ich Sie berühren?“ Sie müssen nicht wissen, was für den trauernden, den weinenden Menschen gut ist. Sie können fragen.
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