Ja, das kann der Fall sein. Eine traumatische Erfahrung ist ein Erleben existentieller Bedrohung. Die Folge ist, dass Menschen alles tun, um sich solchen Situationen nicht mehr auszusetzen. Ein Weg besteht darin, sich wie ein Chamäleon zu verhalten, sich also an unterschiedliche Gegebenheiten anzupassen. Oft erfolgt das so in solch extremer Stärke, dass eigene Interessen zu kurz kommen und eigene Bedürfnisse irgendwann gar nicht mehr wahrgenommen werden. Eines solches Anpassungsverhalten führt deshalb oft – zumindest nach längerer Zeit – zu Krankheiten oder seelischen Zusammenbrüchen. Dieses Verhalten ist ein ursprünglich sinnvolles Schutzverhalten: Ich will nicht auffallen, damit mir nichts passiert. Doch wie viele Verhaltensweisen, die ursprünglich sinnvoll sind, um ein Trauma zu überleben und eine erneute Traumatisierung zu vermeiden, können diese zu einem Leid und einer Last werden, wenn sie sich chronifizieren.
Für Menschen, die mit traumatisierten Flüchtlingen arbeiten, ist es wichtig, um diese Chamäleonreaktion zu wissen. In der Therapie sind solche Menschen oft sehr bemüht, das zu zeigen, zu erzählen, zu „bringen“, was sie meinen, dass der Therapeut oder die Therapeutin es von ihnen erwartet. In Flüchtlingseinrichtungen, in Kindergärten, in Schulen oder anderen Settings sind das die Menschen, die eine große Unterstützung und Hilfe aufgrund ihrer Traumaerfahrung benötigen, die andererseits aber nicht auffallen. Die Gefahr besteht immer darin, dass bei den Fachkräften sich die Aufmerksamkeit vor allem auf diejenigen richtet, die aggressiv sind, die unruhig sind oder die andere sichtbare, auffälligere Symptome zeigen.
Die wichtigste Folge von traumatischen Erfahrungen ist, dass Menschen verstört sind. Auch eine extreme Anpassung, mit der wir uns hier beschäftigen, kann ein Ausdruck sein, dass Menschen verstört sind.
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Sehr geehrter Herr Baer,
ich kann ihnen aus meiner Erfahrung recht geben. Ich sehe das oft bei meinen Kollegen, die den Blickpunkt auf jene haben, die Auffällig scheinen.
Wiederum gibt es folgendes Phänomen, was mir ganz besonders in meiner Einrichtung auffällt.
Je unruhiger und unsicher die Mitarbeiter sind umso mehr überträgt sich dieses auf die Bewohner. Im meinem Fall sind es unbegleitet minderjährige Flüchtlinge (UmA).
Hierfür finde ich auch wichtig eine innere offene Haltung zu haben und eher auch an Lösungen zu arbeiten.
Vielen Dank für diese Hinweise und die vielen Anderen….
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Schmucker-Draehne
Freue mich über alle Informationen . Habe sie einmal in du Neudorf gehört. Bin sozialpädagogin im sozialen Dienst im Altenheim