Viele Menschen mit traumatischen Erfahrungen trauen sich nicht, ihre aggressiven Gefühle gegenüber anderen zu zeigen. Manche betreiben das Gegenteil und sind aggressiv gegen die gesamte Welt. Doch die Scheuen und Zurückhaltenden sind die Mehrheit. Sie wollen nicht so werden wie diejenigen, die ihnen Schlimmes angetan haben. Deswegen verbieten sie sich auch, über andere „herzuziehen“, so wie es oft genannt wird, wenn man lästert.
Doch Lästern kann entlasten. Das Wort Last ist in beiden Begriffen enthalten. Wenn wir Menschen „ablästern“, also laut stöhnen oder schimpfen über andere und auch einmal etwas unkontrolliert Kritisches sagen, dann tut das gut, weil es zurückgehaltene Aggressivität in uns einen Weg aus unserem Herzen finden lässt.
Lästern ist nicht gleichzusetzen mit Entwürdigen. Wenn wir gegenüber Dritten einmal lästern, indem wir vor uns hin sprechen oder einer vertrauten Person etwas erzählen, dann haben wir immer noch die Wahl, ob wir der Person, über die wir lästern, gezielt unseren Ärger zeigen. Doch Voraussetzung ist oft das Lästern als Probelauf. Da gezieltes und kontrolliertes Ärgern meist nicht möglich ist, solange sich ein Stau in uns Menschen angesammelt hat. Das Angestaute muss erst einmal heraus. Dann können weitere Schritte folgen.
Lästern ist nicht gleichzusetzen mit traumatisierender Gewalt. Letztere entwürdigt die Menschen, macht sie klein und verbreitet Schrecken und Grauen. Lästern ist harmloser. Lästern sind Worte, die ausgesprochen werden können, ohne dass die betroffene Person dabei ist. Lästern verletzt nicht. Und wenn dies doch der Fall sein sollte, dann nur ein bisschen und ohne dass ein Schaden zugefügt werden kann. Deshalb empfehle ich: Lästern kann entlasten.
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