Was hilft gegen Co-Traumatisierungen?

Co-Traumatisierungen entstehen dann, wenn ein Mensch von dem Trauma-Erleben eines anderen Menschen mit erfasst wird. Das Trauma-Erleben springt quasi über und wird zur eigenen Not. Auch hier hilft das gleiche, was allen anderen Menschen, die traumatische Erfahrungen haben und unter den Folgen leiden, helfen kann. Zwei Aspekte kommen hinzu:


Erstens nützt es, den Abstand zu variieren:

„Wenn ich mit einer traumatisierten Person spreche und ich merke, es geht mir sehr nah, dann rücke ich mit dem Stuhl ein oder zwei Zentimeter weiter weg. Das hilft manchmal schon. Ich kann dann freier atmen und habe einen klareren Blick.“

Es ist wichtig, die traumatisierte Person nicht alleine zu lassen, weil das ist den meisten von ihnen schon oft genug geschehen und sie darunter leiden. Doch mit dem Abstand etwas zu spielen, die Haltung zu ändern, in der man sitzt oder steht oder aus einer sitzenden Position aufzustehen und gemeinsam umherzugehen, um mehr in Bewegung zu geraten, all diese Formen sind sinnvoll und können Co-Traumatisierungen verhindern oder zumindest deren Wirkung verringern.

Eine zweite wichtige Unterstützung ist das Schaffen von Schleusen. Mit einer Schleuse können Übergänge geschaffen werden von einem Zustand zum nächsten. Wer intensiv mit traumatisierten Menschen zu tun hat und von deren Trauma-Erleben beeinflusst wird, sollte besonders darauf achten, dass es zwischen den Trauma-Begegnungen und dem sonstigen Alltag Schleusen gibt.

„Ich fahre zu meiner Arbeitsstelle, in der ich traumatisierte Menschen berate, bewusst mit dem Fahrrad. Das dauert länger als mit dem Auto und ist natürlich auch gesünder. Vor allen Dingen aber macht es mir den Kopf frei, wenn ich wieder nach Hause fahre. Ich brauche diesen Übergang.“

Worin die Schleusen bestehen, muss jeder Mensch selbst ausprobieren. Manche Menschen brauchen eigene Rückzugsräume als Schleuse oder Übergang, andere duschen oder treiben Sport. Manche Menschen machen Atem- und Achtsamkeitsübungen, um sich wieder in sich zu zentrieren. Andere essen ein Stück Schokolade …

About Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Inhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

4 Kommentare zu “Was hilft gegen Co-Traumatisierungen?

  1. Schleusen, wie Sie es nennen, sind mir vor vielen Jahren aufgefallen, dass diese wichtig sind zu regenerieren und um dann anzukommen. Als mein Mann von der Arbeit heim kam lernte ich ihn erstmal in Ruhe zu lassen und in seinem Tempo anzukommen. Aufgefallen war dies mir, weil ich an mir bemerkte, dass sofortiges Einbeziehen in den Alltag daheim mich ärgerlich hat werden lassen.

    Im aktuellen Leben bin ich gerade mitten drin in so einer Co-Traumatisierung. Eine Freundin hat mich ins Vertrauen gezogen und nun bin ich hilflos weiter zu gehen und weiß nicht, welche Schritte ich in die Wege leiten kann, oder sogar muss. Es geht um zwischenmenschliches in einer Gruppe, um Zwist und … Das Denken ist hier unkoordiniert und dreht sich im Kreis.

    • Ich wünsche Ihnen,dass Sie in Ihrer aktuellen Situation eine Person haben, mit der sie reden können. Die Freundin braucht wahrscheinlich therapeutische Hilfe von anderen. Sie als Freundin können nur da sein und, so gut Sie es können, zuhören und Hand halten und Tee zubereiten und ins Kino gehen und … was sonst gerade geht und passend erscheint.
      Toi toi

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