Eine Klientin erzählte mir einmal, dass sie von ihrem Partner oft gefragt wird, was sie braucht: „Ich weiß es dann nicht. Ich gebe mir Mühe, das zu beantworten. Und es ist ja auch gut, dass er mich fragt. Aber ich kann dann nicht antworten. Mir fällt dann nichts ein. Ich verstumme, manchmal erstarre ich sogar.“
Solche Erfahrungen machen viele Menschen, die in Not sind, ob durch traumatische Erfahrungen oder andere Entwürdigungen. Wenn es ihnen gut geht, wissen sie, was sie brauchen, wünschen, benötigen, und können dies auch mehr oder weniger klar äußern oder zumindest auf entsprechende Fragen antworten. Doch wenn es ihnen schlecht geht, wenn sie niedergedrückt sind oder irgendwie in Not, dann verstummen sie, dann finden sie keine Antworten. Das ist keine individuelle Störung, sondern ein sehr häufiges Symptom von Not. Die Kraft reicht dann für manche nicht mehr, überhaupt Entscheidungen zu treffen, was man wünscht und möchte, und solche Fragen zu beantworten.
Nach meinen Erfahrungen brauchen diese Menschen in diesen Situationen dann Vorschläge von anderen. Wenn andere etwas vorschlagen, können sie „ja“, „nein“ oder „vielleicht“ sagen. An diesen Vorschlägen können sie sich in irgendeiner Weise orientieren. So wichtig es ist, dass Partner*innen offene Fragen stellen, in diesen Situationen ist es sinnvoller, ja notwendig, konkrete Vorschläge zu machen, damit die Möglichkeit einer Antwort besteht. Sagen Sie das den Menschen, mit denen Sie zusammenleben und denen Sie vertrauen, und bitten Sie darum, in solchen Situationen konkrete Vorschläge zu machen und die Frage „Was brauchst du?“ in anderen Situationen zu stellen, aber nicht in Situationen der Not und Überforderung.
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