Fußball wird immer häufiger von Frauen und Mädchen gespielt, auch die Zahl der weiblichen Zuschauerinnen und Fans nimmt von Jahr zu Jahr zu. Doch die Ideologien, Normen und Sprüche traditioneller Männerbünde bestimmen immer noch die öffentliche und die veröffentlichte Kultur des Fußballs. Ein Element dieser Kultur besteht darin, Traumafolgen zu ignorieren.
Wer sich für Fußball interessiert, wird mitbekommen haben, dass es beim Fußballverein Borussia Dortmund seit einiger Zeit drunter und drüber geht. Der Trainer wurde entlassen, obwohl er sehr erfolgreich war, die Mannschaft ist gespalten, es gibt unterschiedliche Wahrheiten oder Lügen, die Verantwortlichen verbreiten … Es mag Ursachen geben, die sich in Konkurrenzverhalten und Eifersüchteleien finden lassen, doch der entscheidende Ausgangspunkt für diese Entwicklung ist das Attentat auf den Mannschaftsbus vor dem Champions-League-Spiel gegen Monaco. Die Mannschaft musste einen Tag später gegen Monaco antreten und spielte, wie zu erwarten war, verstört. Der ganze Verein ist seitdem verstört. Die häufigste und signifikanteste Traumafolge, die wir kennen.
Schon am Abend des Spiels wurden von Kommentatoren und „Experten“ im Fernsehen die Traumafolgen geleugnet oder verniedlicht. Es wurde – mit Ausnahme von Lothar Matthäus – behauptet, man müsse sich ablenken und gleich wieder spielen, man dürfe nicht so viel über den Anschlag reden usw. Also Augen zu und durch. Wir wissen aus Traumaforschung und Traumatherapie jedoch, dass Ablenken zwar manchmal manchen Menschen helfen kann, doch für fast alle Betroffenen die Traumaverarbeitung nicht ersetzen kann. Diese braucht Zeit, sie braucht andere, die zuhören und trösten. Sie braucht Respekt vor dem, was die Betroffenen brauchen.
Doch diese wurden nicht gefragt, weder Trainer noch Mannschaft. Es wurde den Spielern zwar freigestellt, als einzelne nicht zum Spiel anzutreten, doch das hätte deren öffentliche Verurteilung als „Weicheier“ zur Folge gehabt. Wie so oft waren die Reaktionen der Betroffenen unterschiedlich. Manche Spieler äußerten öffentlich, sie würden sich „wie Tiere“ behandelt fühlen, andere verstummten. Klassische Traumafolgen.
All das wurde in der Öffentlichkeit ignoriert. Dem begegnen wir oft nach schweren Verletzungen, die auch eine Mannschaft verstören können. Das war so nach dem Suizid von Robert Enke, dem Torwart der deutschen Nationalmannschaft und von Hannover 96. Als diese Mannschaft danach monatelang sehr schlecht spielte, wurden die Spieler und der Trainer kritisiert, diese Entwicklung aber nicht als Folge der traumatisierenden Erfahrung gesehen.
Es wird Zeit, dass das Bewusstsein der Folgen von traumatischen Erfahrungen auch in die Fußballwelt einzieht. Im Interesse der Betroffenen.
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