Fassungslos zu sein, ist eine häufige Wegbegleiterin traumatisierter Menschen. Und nicht nur dieser. Vieles, was auf der Welt geschieht, macht mich fassungslos. Was manche Menschen anderen Menschen antun, macht mich fassungslos. Dass viele Menschen, nicht nur Politiker*innen, bei Entwürdigungen wegschauen, macht fassungslos. Ich bin dann entsetzt, denke: „Das kann doch nicht wahr sein!“, und verliere meine „Fassung“.
Das erfahren wir Menschen oft im Alltag. Bei Menschen, die Traumata durchleben mussten, insbesondere traumatisierende Gewalt, tritt die Fassungslosigkeit oft besonders stark und besonders häufig auf. Das ist kein Zufall, sondern eine Traumafolge. Traumatisches Erleben kann man nicht fassen. Sexuelle und andere Gewalt ist „nicht zu verstehen“, die Entwürdigung nicht „zu fassen“.
Diesen Zusammenhang zu verstehen, hilft vielen. Und dann gilt es, sich seiner Welt und seiner Sicherheit immer wieder zu vergewissern. Gegen Fassungslosigkeit hilft anzufassen. Konkrete Gegenstände, andere Menschen, alles, was in Reichweite ist. Etwas anzufassen, zu berühren, zu halten, gibt Sicherheit und Stabilität. Unsere „Fassung“ besteht vor allem aus unserem inneren Kern, von dem aus wir wissen wozu wir „ja“ sagen und wozu „nein“, was wir wollen und was wir ablehnen. Und aus unserer Umgebung, dem was uns in unserem Lebensraum sicher ist. Dessen sollten wir uns vergewissern. Noch einmal: Gegen Fassungslosigkeit hilft Anfassen.
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