Ein Introjekt bedeutet wörtlich übersetzt etwas, das „hineingeworfen“ wurde. Im Zusammenhang mit traumatischen Erfahrungen werden damit Haltungen und Verhaltensweisen, Werte und Gefühle beschrieben, die ein Täter oder eine Täterin in die Opfern hineingeworfen, in ihnen zurück gelassen hat und die sie von den Tätern als Eigenes übernommen haben. Damit wird erklärt, dass manche Opfer aggressiv werden (was mit den Aggressionen der Täter gleichgesetzt wird) oder sich selbst immer wieder in gefährliche Situationen bringen (was als Wiederholung des Tathergangs erklärt wird). Die meisten Opfer traumatisierender Gewalt lehnen diesen Begriff ab. Sie wehren sich dagegen, von Tätern etwas übernommen zu haben. Sie sind darüber empört, dass sie sich wie die Täter oder Täterin verhalten. Diese Ablehnung des Begriffs Täterintrojekt ist unterstützenswert.
Alles, was mit sogenannten Täterintrojekten erklärt wird, kann auch durch andere Aspekte des Trauma-Erlebens nachvollziehbar werden. Zu den Schuldgefühlen, siehe die Antwort auf vorherige Fragen. Auch wenn sich manche Opfer in ähnliche Situationen wie das traumatisierende Ereignis begeben, so spricht dies eher dafür, dass durch die Gewalterfahrung die Angst so groß wurde, dass sie nicht mehr spürbar ist und als Leitlinie vorsichtigen Verhaltens genutzt werden kann. Aggressives Verhalten von Opfern kann als Notwehr vor möglichen Wiederholungen der Taterfahrungen verstanden werden, auch als vorsorgliches Handeln und Fühlen, ausgelöst durch Trigger. Eine solche Erklärung fußt gerade auf den Erfahrungen als Opfer und beinhaltet keine Übernahme von Täterverhalten.
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