Viele traumatisierte Menschen leiden besonders unter den Folgen der Pandemie. Die Ursache ist darin zu finden, dass mehrere Aspekte, wie die Pandemie erlebt wird, dem Erleben der traumatischen Erfahrung ähneln:
- Traumatische Erfahrungen, ganz gleich ob durch (sexuelle) Gewalt oder andere, machen Angst. Covid 19 macht auch Angst.
- Wer Traumata erlebt hat, war in dieser Situation hilflos. Gegen die Ansteckung durch Covid 19 können wir viel tun, doch es gibt keine Sicherheit, es bleibt Hilflosigkeit.
- In der traumatischen Situation haben die betroffenen Menschen die Kontrolle verloren. Auch jetzt in der Pandemie haben wir zwar Einfluss auf die weitere Entwicklung, aber keine Kontrolle. Es können neue Virus-Varianten auftreten, andere Menschen können Schutzmaßnahmen missachten usw. Der Kontrollverlust ähnelt.
- Viele Menschen mit traumatischen Erfahrungen sind besonders empfindsam für Atmosphären. Das kann ein nützliches Warnsignal für mögliche Bedrohungen sein. Zur Zeit sind die Atmosphären, die durch die Pandemie beeinflusst werden, bedrohlich.
Diese Ähnlichkeiten zwischen der aktuellen Pandemie-Situation und dem Erleben der traumatisierenden Erfahrungen führen häufig dazu, dass traumatisierte Menschen besonders stark auf die Pandemiefolgen reagieren und darunter besonders leiden. Das zu erkennen, kann helfen.
Die meisten Menschen, die Traumata erleben mussten, insbesondere durch Gewalt, blieben in der Zeit danach allein. Sie brauchen Begegnungen mit Menschen, die verstehen und akzeptieren, die trösten und parteilich sind, die da sind und zur Seite stehen. Solche Begegnungen brauchen wir alle und traumatisierte Menschen besonders auch jetzt. Und gleichzeitig sind die Möglichkeiten der Begegnungen zur Zeit eingeschränkt. Das ist schlimm und traurig. Um so wichtiger ist, dass wir alle Möglichkeiten vertrauensvoller und stärkender Begegnungen nutzen, ob telefonisch oder über Zoom, Skype und andere Medien oder da, wo es sicher möglich ist, auch im persönlichen Kontakt.
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Lieber Herr Baer,
so ergeht es mir. Ganz genau so! Zu Beginn der Pandemie dachte ich, dass sich plötzlich für alle Menschen das Leben so anfühlt, wie ich es dauernd als Betroffene empfinde. Aber mit der Zeit änderte sich etwas. Es wurde zu einem Trigger, der ständig um mich herum schwebt. In Erinnerung an das, was war. Sie beschreiben das sehr gut!
Ich grüße Sie herzlich
Katja
Sehr geehrter Herr Baer,
ich leite die Selbsthilfegruppe http://www.kriegsenkel-dortmund.de
Durch das transgenerationale Trauma, übertragen von unseren Eltern, welches wir aufarbeiten, sind bereits Ängste vorhanden.
Durch die Pandemie leiden viele Kriegsenkel, besonders die, die das Thema nicht angehen wollen, doppelt.
Aber unsere Gespräche sind uns sehr wichtig und helfen uns.