Eine traumatische Erfahrung beinhaltet, dass Menschen sich ausgeliefert fühlen und ausgeliefert sind. Das ruft Gefühle der Hilflosigkeit hervor, die lange anhalten können oder immer wieder auftreten.
Auf Dauer werden viele Menschen mit solchen Erfahrungen „allergisch“ gegen Situationen, in denen sie hilflos sind oder sie andere Menschen als hilflos erleben. Da kann der geliebte Partner oder die Partnerin an einer Krankheit leiden, gegen die „die Medizin“ nichts tun kann, da ist das eigene Kind der Willkür einer Lehrerin oder eines Mitschülers ausgeliefert, da wird man Zeuge eines Unfalls, da wird man plötzlich entlassen und kann nichts dagegen tun … In vielen Lebenssituationen erfahren Menschen Hilflosigkeit und fast immer schwingt dann die traumatische Erfahrung existenzieller Bedrohung und existenziellen Ausgeliefertseins mit. Hilflosigkeit ist Trigger und Flashback zugleich.
Das ist wichtig zu wissen, um sich und andere zu verstehen.
Für viele sind solche Hilflosigkeitsgefühle kaum aushaltbar. Sie versuchen, in der Reaktion darauf, Kontrolle über ihr Leben und über die Situationen zu bekommen. Und daran scheitern sie. Ja, es ist gut, in vielerlei Hinsicht um Kontrolle zu kämpfen, um das eigene Leben zu gestalten und Wahlmöglichkeiten für Entscheidungen zu haben. Aber die Möglichkeiten, Macht über das, was uns im Leben widerfährt, zu gewinnen, sind begrenzt. Wer aufgrund traumatischer Erlebens von Erfahrungen existenzieller Hilflosigkeit geprägt ist, kann diese Begrenztheit kaum zu lassen und kämpft oft verzweifelt darum, Kontrolle zu behalten oder zu gewinnen. Das muss scheitern. Wenn man das nicht akzeptiert, entsteht ein Kreislauf von immer heftigerem Kampf um Kontrolle, Selbstabwertung aufgrund des Scheiterns, neuer Erfahrung existenzieller Hilflosigkeit und daraus resultierenden noch heftigerem Kampf um Kontrolle … Das ist anstrengend und kann zu Erschöpfung und Zusammenbruch führen.
Es ist wichtig zu wissen, dass es eine Traumafolge ist, wenn Hilflosigkeit nicht auszuhalten ist, wenn der Kampf um Kontrolle mit extremer Anstrengung geführt wird. Es ist wichtig einzusehen, dass wir Menschen im Leben nicht alles „im Griff“ haben können. Der erfolgreiche Weg aus der Hilflosigkeit ist nicht der Kampf um Kontrolle, sondern die Suche nach Hilfe und die Bereitschaft, Hilfe anzunehmen.
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Wenn man mit einem Partner zusammen lebt, der nur noch kontrolliert und keinerlei Hilfeangebote zulässt und alles, noch so leichte, mit heftigen lauten Worten abwehrt, was dann?
So ein Erleben kommt beim Arzt nicht zur Sprache. „Denn sie wissen nicht, was sie tun.“ fällt mir gerade ein. Einerseits weiß er darum. Andererseits weist er Hinweise vehement zurück.
Ich stehe ratlos da.
Manipulation findet auch noch statt.
Es gibt eine Seite des Betroffenen.
Ich bin „Zuschauer“. Wie damit umgehen?
Sie sind nicht nur Zuschauer, Sie sind auch betroffen. Ich kenne die konkrete Situation und die konkreten Möglichkeiten nicht. Alles, was ich sagen kann und will, ist: Verteidigen Sie Ihre Würde!
Danke für Ihre Antwort.
Meine Würde zu bewahren ist ein stetiges Lernen und Neuauspendeln.
Mein erster Gedanke war in diesem Zusammenhang: Was bedeutet diese Frage? Ich soll meine Würde behalten. Wie geht das?
Haben Sie ein Buch oder Blogartikel hierzu geschrieben? Meine Würde ist wichtig. Das fühlt sich erstmal gesehen und verstanden an und zweitens neu. (Man beachte, dass ich 60 Jahre alt bin.)
Haben wir:
Baer, Udo; Frick-Baer, Gabriele: Meine Würde entscheidet. Bei Beltz. Da stehen viele mögliche Antworten auf diese Frage drin, Welche auf Sie passen, werden Sie erkennen.
(Ich bin 74)
Vielen vielen dank für diesen wertvollen Artikel. Das hilft sehr ein bisschen mehr Verständnis für mich selber und die so sehr überzogen scheinenden Gefühle in manchen Situationen zu bekommen und sie vielleicht irgendwann gelassener zu akzeptieren. Ich bin sehr dankbar für diesen Blog! Der Umgang mit diesen Gefühlen wäre noch ein interessanter Punkt. Denn das gelingt mir oft kaum…