Vor einiger Zeit zitierte ein Redner auf einer Tagung, an der ich teilnahm, einen der bekanntesten Begründer der Kurzzeittherapie, Steve de Shazer:
„Reden über Probleme lässt die Probleme wachsen,
reden über Lösungen lässt die Lösungen wachsen.“
Dieser Satz ist, mit Verlaub, Unsinn, gefährlicher Unsinn. Selbstverständlich kann es manchmal gut sein, sich nicht nur in Problemen zu vertiefen, sondern eher auf Lösungen zu schauen. Doch über Probleme zu reden bedeutet nicht, sich in Problemen zu verlieren. Diese platten Gleichsetzungen sind unerträglich.
Ein Beispiel:
Ein schwer traumatisierte Frau konnte und durfte nach den traumatisierenden Ereignissen nie über ihre schlimmen Erfahrungen sprechen. Sie blieb damit allein, wie so viele andere traumatisierte Menschen. Wir wissen spätestens, seit Gabriele Frick-Baer das „Alleinsein danach“ bei traumatisierten Frauen untersucht hat, dass die Zeit danach darüber entscheidet, ob die Wunde des Traumas heilen kann. Wesentlich für die Zeit danach ist, ob die Gewaltopfer Gehör finden oder nicht.
Um Gehör zu finden, um Verständnis, Parteilichkeit und Trost zu erfahren, müssen sie reden können. Wer schweigt, findet kein Gehör. Wenn Menschen nicht über ihre Probleme reden dürfen, sondern nur über sogenannte „Lösungen“, dann verstummen sie, dann werden sie zum Schweigen verurteilt. Das mag wohlgemeint sein, entspricht aber den Interessen der Täter. In jedem Fall hilft es nicht den Opfern von (sexueller) Gewalt.
Es gibt die Tendenz, dass in manchen Kliniken und Praxis eine Schweigegebot verhängt wird. Kurz bevor ich das Zitat von de Shazer auf dem Vortrag hörte, erzählte eine traumatisierte Frau, dass sie in einer Klinik gewesen wäre, es dort nur Medikamente als Therapie gegeben hätte und im Flur an der Wand groß das Zitat von de Shazer gehangen hätte. Sie war empört, ich auch. Das Sprechen über das Leid ist für die Opfer ein Teil des Lösung, des Loslösens von dem traumatischen Schrecken. Das Sprechen über das Leib im angeblich therapeutischen Interesse zu verbieten ist unsäglich.
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