Trauma – Trost und Talisman, ein Beitrag von Dr. Gabriele Frick-Baer

Woran erkenne ich, dass in alten Menschen Kriegs- und andere Trauma lebendig werden

Sie kennen solche Situationen und Szenen aus ihrem Arbeitsalltag bestimmt, zumindest so ähnlich: Da ist die alte Frau, die unablässig den Flur auf und ab läuft, voller verzweifelter Unruhe. Wenn die Pflegerin sie auf ihr Zimmer bringen will mit den wohlmeinenden Worten: „Mein Gott, Frau G. das kann man ja nicht mit ansehen, wenn sie weiter so hier herumrennen, dann fallen sie uns ja noch tot um. Das wollen wir doch nicht. Nun setzten sie sich doch mal hin“, dann bekommt sie einen Widerstand zu spüren, von der alten Frau, eine Kraft, von der sie nie gedacht hätte, dass sie die alte Frau haben könnte.

Oder: Da ist der alte Mann, der nachts schreiend aufwacht. Wenn die Pflegerin in sein Zimmer rennt, findet sie einen Mann, der vollkommen in sich zusammen gekauert ist, mit dem Gesicht zur Wand im Bett liegt und schreit. Zusammengekrümmt – obwohl sein Rückgrat am Tag stocksteif und unbeweglich ist.

Oder: Da ist die alte Frau, die immer wenn der Pfleger morgens ins Zimmer kam und sie aufweckte, zu wimmern anfing, leise und kläglich. Er tat das natürlich irgendwann nicht mehr, als sich herausstellte, dass seinen Kolleginnen das nicht passierte. Obwohl er natürlich gekränkt war, da sie sich sonst in allen anderen Situationen ausgezeichnet verstanden. Sie hatten ein fast liebevolles Verhältnis zu einander.

Er verstand die Welt nicht mehr – und sie auch nicht.

Und damit haben sie schon mindestens ein Merkmal, an dem Sie erkennen, dass wahrscheinlich altes Traumaerleben lebendig wird.  Man versteht die Welt nicht mehr.  Auf die ganz „normalen“ Fragen:
„Warum wimmern Sie, wenn Sie mich sehen?“
„Warum rennen Sie hier so hin und her?“
„Warum schreien Sie?“
Gibt es keine Antwort, denn es gibt keinen sichtbaren, aktuellen Grund. Als Außenstehender, als Außenstehende weiß man es nicht, versteht man es nicht. Und die Menschen selbst wissen es auch nicht, verstehen es auch nicht. Oft zumindest.
Sie verstehen sich selbst nicht, sie können auf die Fragen meist keine Antwort finden.

Wenn sich etwas –  das Schreien in bestimmten Situationen, die Unruhe – sich immer wiederholt ohne zunächst ersichtlichen Grund, wenn sich ein Muster, ein bestimmtes Verhalten, immer wieder Bahn bricht, dann liegt die Wahrscheinlichkeit nahe, dass der Mensch in seinem traumatischen Erleben verfangen, gefangen ist. Dass er sich diesem Verhalten, dieser Reaktion ausgeliefert fühlt.

Das betrifft viele alte Menschen…

Von den über 70jährigen hat 1/3 ein schlimmes traumatisches Erleben während der Kriegsjahre erlebt oder war Zeuge eines schlimmen traumatischen Ereignisses. Was die gleiche Kraft, die gleiche Stärke des Traumaerlebens mit den gleichen Folgen des Traumaerlebens hat.
Ein weiteres 1/3 hat viele traumatische Erlebnisse gehabt.
Von den anderen, dem anderen Drittel, denen im Krieg nichts passiert ist, können Sie davon ausgehen, dass nochmal jede und jeder 2. ein anderes Trauma erlebt hat, Vergewaltigungen, Erniedrigungen, persönliche Katastrophen.

Das heißt:
Wenn sie mit vier alten Menschen am Tisch sitzen und Kaffee trinken, können Sie davon ausgehen, dass drei davon traumatisiert sind.

Die meisten alten Menschen die Kriegstraumata erlebt haben und uns heute in der Altenpflege begegnen, waren damals sehr jung. Sie waren Kinder oder Jugendliche oder junge Erwachsene. Ob sie z. B. als Kinder selbst Schreckliches erlebt haben, oder „nur“ Zeugen waren, ist relativ unerheblich. Auch die Zeugenschaft eines traumatischen Ereignisses kann Traumaerleben hervorrufen, mit all den benannten Folgen.

Wenn Kinder oder Jugendliche Traumatisches erleben, ist dies etwas, was sie überfordert. Sie werden psychisch schneller erwachsen als biologish. Man nennt dies Parentering. Millionen von Kindern in Europa  hatten in den 40er Jahren keine Kindheit oder nur eine eingeschränkte. Kind zu sein und zu spielen, konnten sie sich nicht leisten. Sie mussten den Schrecken überleben, ihre verstörten Mütter schützen, für Nahrung sorgen oder den abwesenden oder toten Vater ersetzen.
Das hat viele in dieser Generationen geprägt.
Sie haben immer ein hohes Verantwortungsgefühl gehabt, was durchaus auch positiv ist und in der Altenhilfe genutzt werden kann.
Dieses hohe, manchmal extreme Verantwortungsgefühl hat aber auch die Funktion, den darunter brodelnden Kessel der Gefühle am Überlaufen zu hindern. Wenn nun im Alter die Fähigkeit, das Verantwortungsgefühl zu leben, nachlässt und wenn Erfahrungen des Ausgeliefertsein sich häufen und die Kriegstraumata wiederbeleben, dann kocht der Kessel der Gefühle über und Angst, Schrecken, Scham, Verzweiflung und vor allem die Schuldgefühle werden lebendig.

Was ist nun ein Trauma?
Trauma, das ist ein Wort aus dem Griechischen und bedeutet Wunde, Verletzung. Auslöser des Traumas, der seelischen Verletzung ist ein Ereignis, das subjektiv als existentiell bedrohlich erlebt wird. Die klassischen archaischen Reaktionen auf existentielle Bedrohungen bestehen darin, zu kämpfen, zu fliehen – oder zu erstarren.
Wenn es Menschen im Traumaereignis nicht möglich ist zu fliehen, oder zu kämpfen, weil sie der Bedrohung hilflos ausgeliefert sind – oder sich der Bedrohung hilflos ausgeliefert fühlen, dann sind häufig Erstarrungsreaktionen der einzige Ausweg.

Fight or Fligt:
Wenn Flüchten oder kämpfen nicht geht, dann bleibt nur der Rückzug nach innen: Freeze and Fragment.
Das Erstarren, das Gelähmtsein, das geistige Wegtreten, der Tunnelblick, die leibliche Entfremdung.
Die leibliche Erfahrung, das Erleben wird fragmentiert, es zerbricht in unterschiedliche Fragmente.
Einige dieser Splitter bleiben dem Bewußtsein zugänglich – andere nicht.

Das entscheidende beim Erleben des traumatischen Ereignisses ist, dass die Amygdala, der Mandelkern die Situation als lebensbedrohlich einstuft und der Hippocampus als kognitives Gedächtnis, als bewusste Wahrnehmung, auf Sparmodus geht. d.h. einige Splitter, einige Fragmente des Erlebens, einige innere Bilder bleiben dem Bewusstsein zugänglich, vieles- oder das meiste oder gar alles wird abgespalten, dissoziiert. Das wir manches dissoziieren, abspalten, uns in manchen Situationen oder Momenten selbst fremd sind und uns in einer inneren Sackgasse fühlen, kennen wir wahrscheinlich alle mehr oder weniger.

Das Abspalten, dissoziieren nach einem Traumaereignis hat allerdings in seiner extremen Ausprägung die Qualität, den Charakter von Sich-Auflösen, Sich-Wegbeamen, sich im undurchdringlichen Nebel zu fühlen, aus dem es kein Entkommen, kein Entrinnen gibt, vollkommen die Verbindung zu anderen Menschen zu verlieren……
Kurz: es ist ein Empfinden, aus der Welt geworfen zu sein.
Das Unerträgliche wird vom Erleben abgespalten. In der traumatischen Situation selbst ist das eine Bewältigungsstrategie, die das physische und psychische Erleben des Menschen angesichts seiner existentiellen Bedrohung, seines Säbelzahntigers, sichert.

Sie spüren es, diese Bewältigungsstrategie, als Gegenüber dieser Menschen vielleicht in ihrer Resonanz, wenn sie ihr Aufmerksamkeit schenken: Sie spüren plötzlich diesen Block oder das der Mensch „weggeht“. Sie fühlen sich, obwohl dieser Mensch sie vielleicht sogar anguckt, nicht mehr gesehen. Oder sie merken, dass Sie mit dem, was Sie sagen, nicht (mehr) gehört werden.
Manchmal erleben Sie Dissoziationen vielleicht dadurch, dass sich etwas zwischen Sie beide schiebt, wie eine Folie oder eine unsichtbare, aber spürbare Wand……
Welches Traumaereignis zu welchem Traumaerleben führt, zu welcher Art und zu welchem Ausmaß, das ist subjektiv – bei jedem Menschen unterschiedlich.
Ein Traumaerleben kann individuell bewältigt werden- das kommt sicher auch auf die Zeit danach an, ob z.B. Hilfe da war (doch davon später). Es kann aber auch chronische Folgen haben, so dass die Menschen immer wieder darunter leiden.

Und da sind wir wieder bei den Menschen, von deren Leid ich am Anfang sprach.
Sie leiden nämlich an den Folgen ihrer Erfahrungen, die sie machen mussten, denen sie ohnmächtig und hilflos ausgeliefert waren und die sie als existentiell bedrohlich erleben mussten.

Die langfristigen Folgen werden als Posttraumatisches Stress-Syndrom bezeichnet. Ein wesentliches Merkmal des PTSB sind die sogenannten Flashbacks – also Wiedererinnerungen an das Traumaerleben, das durch sogenannte Trigger, Auslöser wieder lebendig wird. Die alte Frau, die unablässig, verzweifelt auf dem Flur auf und ab läuft, sucht wahrscheinlich tagtäglich nach ihrem Kind, dass sie damals auf der Flucht verloren hat – zunächst aus den Augen, dann ganz. Tagtäglich hat sie nun, nachdem sie den Schrecken, ihre Angst und Panik, ihre Trauer 60 Jahre abgespalten hat, den „Schrecken in ihrem Herzen“ begraben hat, ihre Flashbacks. Vielleicht ist ihr Trigger, ihr Auslöser, für sie eine bestimmte Tageszeit oder ein bestimmter Lichteinfall im Flur; vielleicht ist es ein bestimmtes Geräusch, eine Stimme vielleicht, die sie hört, vielleicht sogar nur innerlich…..
Wäre es möglich, mit ihr darüber zu sprechen, was ja Gott sei Dank mit vielen alten Menschen möglich ist, könnten wir es herausfinden, so muss es reichen zu wissen und zu akzepieren, dass es einen äußeren oder inneren Trigger geben muss (!) unabhängig davon, ob er uns zugänglich ist oder nicht.

Nun werden Sie vielleicht fragen, wozu soll das gut sein? das zu wissen und zu akzeptieren?
Zu akzeptieren, dass es Anlässe und Auslöser, Trigger gibt (!) für unverständliches Verhalten, dass es sie geben muss, liegt uns so sehr am Herzen.
Denn wenn wir das akzeptieren UND uns berühren lassen von der inneren Not, dann müssen wir die Menschen damit nicht alleine lassen.
Dann müssen wir nicht, wenn der alte Mann einem Gespräch darüber nicht mehr zugänglich ist, genau wissen, warum er nachts schreit.
Dann müssen wir nicht genau wissen, ob die alte Frau, wenn sie aufwacht, den Pfleger sieht und leise wimmert, das tut, weil sie im Bunker nicht laut ihre Angst herausweinen oder – schreien durfte, weil man das nicht tat. Oder ob sie die Frauen und Kinder im Kellerversteck nicht verraten durfte, als die Soldaten plötzlich da waren oder Zeugin von Vergewaltigungen war.

Wenn das Traumaerleben durch Trigger wiedererinnert, wieder-erlebt, neu-erlebt wird, dann laufen auch aller Körper- und Erlebensprozesse autonom ab. Die archaischen Reaktionen auf das Trauma als Säbelzahntiger unserer Zeit läuft ab, das Bewusstsein schaltet sich ab, geht zumindest auf Sparmodus und das vegetative Nervensystem läuft auf Hochtouren, in Hocherregung. Wie beim traumatischen Erleben danach.

Fasse ich noch einmal in vier Punkten die Hauptaspekte zusammen, an denen man Traumaerleben erkennen kann:

  1. Hohe Dauererregung und Hochspannung
  2. Wiederkehrende Reaktionen auf bestimmte Trigger/Auslöser, genannt Flashbacks
  3. Unerklärlich erscheinende Angst-Reaktionen/Panik
  4. Oft gibt es daraus keine andere Lösung aus diesem Kreislauf der Erschöpfung, – die Menschen laufen auf Hochtouren, in höchster Anstrengung und Anspannung, bis sie erschöpft zusammenbrechen oder in den Schlaf fallen – und das wiederholt sich ständig – oder/und Vermeidung von bestimmten Situationen und sozialen Kontakten. Letzteres ist absolut sinnvoll, wenn Trigger herausgefunden werden, die man vermeiden kann. Das ist eine der Aufgaben von Therapie. Menschen zu meiden, die einem z.B. in Angst und Schrecken versetzten, Situationen zu vermeiden, die Flashbacks auslösen ist sinnvoll. Nur wenn es dann alle (!) Menschen, alle (!) Situationen oder zumindest viele sind, wenn sich das Erleben und Verhalten generalisiert, wenn das Erleben in Vereinsamung zu münden droht, dann hat das Traumaerleben gewonnen.

Wenn Sie sich diese Aspekte, Aspekte des Traumaerlebens vergegenwärtigen, dann werden Sie feststellen, dass sich viele Symptome mit den Erscheinungsformen von Demenz überschneiden.

Denn: Viele Erscheinungsformen demenzieller Erkrankungen ähneln denen der Folgen von Kriegstraumata:

  • Unruhe kann Folge von beidem sein.
  • Verzweiflung (die Diagnose „Alzheimer“ bedeutet „unheilbar“, was bei vielen Verzweiflung hervorruft)
  • Scham: viele schämen sich ihrer Demenz und versuchen sie zu verstecken und Scham begleitet das Wiedererleben von Kriegstraumata.
  • Auch Vereinsamung und sozialer Rückzug sind bei beidem häufig. Viele wollen oder können sich so, wie sie sind, anderen nicht mehr zumuten und ziehen sich zurück.

Sie sehen, nicht alles, was als Demenz daher kommt, muss Folge einer demenziellen Erkrankung sein.Es können eben auch Zeichen des Auftretens von Traumata, Kriegstraumata und anderem, als existentiell bedrohlich Erlebten sein.
Bitte denken Sie daran: 3 von 4 alten Menschen sind traumatisiert.

Was hilft nun Menschen, die aus der Welt gefallen sind?
Trost

Zuerst: Was hilft nicht?
Wenn ein Mensch wiedererlebt und mit dem inneren Auge und dem Herzen sieht, wie seine Mutter vergewaltigt wird oder sein bester Kamerad stirbt, dann hilft nicht:

  • Es wird alles wieder gut
  • Allein lassen
  • Ablenken: schauen sie mal das schöne Wetter
  • Sie brauchen doch nicht zu weinen
  • Jemanden wie ein kleines Kind behandeln

Was hilft, ist den Menschen ernst zu nehmen und zu begleiten!
Das Schlimmste ist das Alleinsein danach!

Das traumatische Erleben ist schlimm und schrecklich und verantwortlich dafür, dass Menschen leiden. Wie mit den betroffenen Menschen in der Zeit nach dem Traumaereignis umgegangen wird, ist nach unseren Erfahrungen entscheidend dafür, wie nachhaltig das Trauma wirkt und wie lange Menschen leiden. Viele Betroffene beschreiben das „Alleinsein danach“ als besonders prägend. Nicht darüber reden zu können, nicht getröstet zu werden, schweigen zu müssen, all das führt dazu, dass die Verzweiflung verstetigt wird und der Schrecken und die Scham sich eingraben.

Das Alleinsein danach ist der Nährboden der Nachhaltigkeit!

In den Kriegsjahren war keine Zeit und keine Kraft für Trost und mitfühlende Aufarbeitung. Also wurde verdrängt. Es ging ums Überleben und später um den Wiederaufbau, um das Schaffen eines erträglichen Lebens. Die Schrecken des Krieges wurden mit Arbeit, Alkohol und Ablenkung im Keller gehalten. Doch im Alter lässt die Kontrolle nach und rufen Krankheit und die Nähe des Todes, die alten Gespenster wieder hervor.

Insbesondere bei Menschen, die Zeugen traumatischer Ereignisse waren, sind Schuldgefühle häufig. Man spricht in der Psychotraumatologie von der Schuld der Überlebenden. Wir kennen z.B. keine Erinnerung von Menschen, die den Holocaust überlebt haben, die nicht ständig von Schuldgefühlen gequält werden, dass sie überlebt haben und die anderen nicht.
Dies wenigstens einmal aussprechen zu dürfen und sich verstanden zu fühlen, ist für viele Betroffene erleichternd! Darum zu wissen, wie wir Menschen so ticken, ist wichtig.

Für die Betroffenen ist entscheidend, dass sie verstanden werden, gesehen werden, gehört werden.Für uns Begleitende gilt es, um den Schrecken zu wissen und uns ihm zu stellen, ohne in ihn einzutauchen!

Was hilft: Aussprechen und Ansprechen:
Die visuellen Scan-Methoden der Gehirnforschung haben sichtbar gemacht, dass selbst Menschen, die komatös weggetreten sind, ansprechbar sind. Auch wenn Menschen scheinbar unerreichbar sind, ist es notwendig, sie anzusprechen.  Fragen, Mitgefühl, Interesse im Gespräch zu zeigen ist möglich.
Das Ansprechen muss zuerst einmal ein Andocken ermöglichen und ernst nehmen, was ist. Erst dann können verändernde Impulse kommen – nie umgekehrt.
Also zuerst: ja, es ist schlimm. Ja, ich bekomme mit, dass Sie leiden, dass es schrecklich ist. Hier sind auch Vermutungen auszusprechen, z.B.: Ich vermute, dass in Ihnen gerade wieder schlimme Erfahrungen von früher lebendig werden, vielleicht aus den Kriegszeiten…

In den Beispielen konnte die Hilfe nicht über Gespräche gehen, aber über das Teilen: „Ich sehe, dass sie unruhig sind. Ich weiß, dass Sie etwas quält. Ich weiß nicht genau was es ist, aber…“ Also: würdigen was ist!
Und dann: Jetzt sind Sie nicht allein. Ich passe mit auf Sie auf…

Was hilft: Trösten
Wer leidet braucht Trost. Das scheint wenig, ist aber viel.Gesehen und verstanden zu werden, ist Trost. Ernst genommen zu werden und mit der Not nicht allein zu sein, ist Trost.
Und – vieles andere kann trösten: die Hand zu halten, tröstende Worte, Musik, gemeinsames Atmen im gleichen Rhythmus, eine Tasse heiße Schokolade…

Ein Talisman …!
Wenn Trigger nicht dem Bewusstsein zugänglich sind, wenn es Gerüche, Farben, Atmosphären…sind, also Sinneseindrücke, die den Schrecken auslösen, dann muss Trost in diesem Sinne sinnlich sein.
Und zu so einer kleinen „sinnlichen“ und „sinnvollen“ Einheit möchte ich Sie jetzt einladen:

  • Mit (Klumpen Ton) Knete eine Situation vorstellen (nicht innerer Ort) mit allen Sinnen
  • Was hat der Andere/ die Anderen getan (oder gelassen), dass Sie getröstet hat?
  • Talisman so lassen oder weiterarbeiten! Evtl. verändern!
  • Fragen: Was war tröstend?

Trost ist:

  • Einfach nur gehalten zu werden,
  • Ich bekomme dann Trost, wenn ich mich traue, es auszusprechen; nach Trost zu fragen
  • Trost ist es für mich, zu Freundinnen gehen zu können, die mich so lassen, wie ich bin: gestreift, geblümt, pink –
  • Trost ist, dass es Menschen gibt, zu denen ich gehen kann und die nichts wegmachen wollen
  • Trost ist mir, gesehen und gehört zu werden
  • Trost finde ich in der Natur
  • Tröstend ist, in den Arm genommen zu erden, wenn ich wütend bin
  • Trost ist, verstanden zu werden

Das was Sie jetzt gemacht haben, herausgefunden haben, hilft wahrscheinlich den drei traumatisierten von vier Menschen. Und das hilft uns HelferInnen und Angehörigen auch, wenn wir dem Schrecken der Traumata begegnen.

Ich will noch einmal anhand von einigen Beispielen versuchen zu verdeutlichen, bzw. zusammen zu fassen, was hilft:

  • Eine klassische Situation: nicht sagen: „ist doch bloß ein Gewitter“ sondern: „es ist zwar nur ein Gewitter, ich sehe aber, für Sie ist es schrecklich … allein, keiner geholfen … ich bin da; passe mit auf Sie auf“.
  • Zweites Beispiel: Schützengraben; Erregung stetig, immer höher; „Ja, das war schlimm. Was hätten Sie gebraucht?“ „Gibt es hier jemanden, der für Ihre Sache sorgen kann? Ich?
  • Bei Unruhe: Mitgehen … und fragen: „Was hat geholfen“ Was hat die Mutter damals gemacht.
  • Aktives Symbolisieren: Geste des Trostes….bzw. Geste der Abwehr finden oder schenken
  • Angstfresser malen
  • Geschichte erzählen, in der das Schreckgespenst seine Macht verliert
  • Eine Puppe nehmen, die dann- wenn die Angst kommt, in den Arm genommen wird
  • Angebote machen: Steine, Holz…
  • Lied finden, summen…
  • Geräuschen einen anderen Klang entgegensetzten/ z.B. Kalimba

Es gibt so einen schier unermesslichen Reichtum an helfender, tröstender Haltung und Methoden, die man bergen kann mithilfe von Methoden, die sich am Erleben und an den Innenwelten orientiert sind!

Abschluss:
Zitat eines Mannes: „Ich war ein Held,“ sagte er, „ich habe Glück gehabt und Menschen gefunden, die mir geholfen haben“

About Gabriele Frick-Baer

Gabriele Frick-Baer (Berlin, Jg. 1952) Dr. phil. (Erziehungswissenschaften), Diplom-Pädagogin, Kreative Leibtherapeutin AKL, Vorstandsmitglied und Wissenschaftliche Leiterin der Kreativen Traumahilfe der Stiftung Würde, Kreative leiborientierte Traumatherapeutin (ZKW-tk), Autorin

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