Das Buch „Kriegserbe in der Seele“ wird viel diskutiert. Besondere Aufmerksamkeit findet in den Diskussionen nach den Lesungen unser Hinweis, wie wichtig die Suche nach der Meinhaftigkeit ist, um die Folgen von transgenerativen Traumaweitergaben zu überwinden. Deswegen hier dieser Auszug:
»Meinhaftigkeit« – was bedeutet das? Vielleicht lassen Sie sich dieses Wort zunächst einmal neugierig auf der Zunge zergehen und achten auf das, was Ihnen spontan dazu einfällt. Was »haftet« an mir? In mir? Der Wortteil -haftig bezeichnet das, womit man »verbunden«, »gebunden«, »schwanger« ist. Meinhaftigkeit ist ein philosophischer und vielleicht auch Sie persönlich ansprechender und anregender Begriff: Wovon sind Menschen, wovon sind Sie sich sicher, dass es zweifellos und selbstverständlich zu Ihnen gehört? Sie werden zum Beispiel nicht bezweifeln, dass die Nasenspitze, die Sie berühren, ein Teil Ihrer Nase und Ihres Körper ist. Meinhaftigkeit auf den Körper bezogen zu verstehen, ist relativ einfach und unzweideutig. Komplexer und komplizierter wird es, wenn es um Eigenschaften, um Gefühle, um Verhaltensweisen und gar um Ererbtes und anderes mehr geht, das nicht so griffig zu erfassen ist. Die Traumaweitergabe über die Generationen hinweg hat ja gerade bewirkt, dass vieles, was zu den Traumafolgen der Eltern oder Großeltern und damit der Kriegsgeneration gehörte, so an Sie weitergegeben wurde, dass es zu Ihrem wurde, auch zu Ihrem. Viele dieser Traumafolgen, wie zum Beispiel Ängste, an den Absender zurückzusenden, ist die eine Seite des Prozesses, die andere Seite besteht darin, die eigene Meinhaftigkeit zu suchen und zu stärken.
Besprechen Sie mit einem anderen Menschen Ihre Meinhaftigkeit. Nutzen Sie die Möglichkeiten des Gesprächs mit einer Person Ihres Vertrauens. Gehen Sie den Fragen nach: Wie sieht meine Gefühlswelt aus? Welche Gefühle sind besonders typisch oder charakteristisch für mich? Welche vermeide ich eher? Was bin ich für ein Kommunikationstyp – gehe ich eher auf andere zu oder lasse ich andere auf mich zukommen? Was sind sonst wichtige Eigenschaften von mir? Welche Charakteristika fallen auf in meinem Verhalten, in meiner Sprache oder in anderen Äußerungen? Welche Werte vertrete ich? Was liebe ich? Was hasse ich? Was ist mir gleichgültig? …
Um unsere Meinhaftigkeit zu erkennen und wahrzunehmen, was wirklich unseres ist, brauchen wir den Spiegel anderer. Die Suche nach der Meinhaftigkeit ist nicht mit einem Gespräch getan. Es ist ein andauernder Prozess, der das ganze Leben begleiten kann und sollte. Was ist meins? Was möchte ich wirklich? Was gehört zu mir und was nicht? Begeben Sie sich auf den lohnenden Weg, Antworten auf diese und andere Fragen zu finden. Er lohnt sich.
- Lästern kann entlasten - 27. Januar 2025
- Stöhnen statt Scham - 6. Januar 2025
- Der große und der kleine Schmerz - 16. Dezember 2024
- Leibgarde - 25. November 2024
- Straflos - 4. November 2024
Ich habe das Buch am Wochenende gelesen.
Vielen Dank dafür!!!
Einige meiner Gedanken dazu habe ich auf meinem Blog veröffentlicht. Auf jeden Fall werde ich den einen oder anderen der konkreten Tips ausprobieren.
Das erste Bild habe ich schon gemalt!
Herzliche Grüße, Julia von Brandis