Thema: Trauma zweite Generation

Die Weitergabe traumatischer Erfahrungen und deren Folgen werfen viele Fragen auf. Hier finden Sie Antworten.

About Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Inhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

2 Kommentare zu “Thema: Trauma zweite Generation

  1. Hallo, ich bin gerade, und auch schon die letzten 2 Stunden hier auf Ihrer Seite hängengeblieben.. Ich bin schon lange auf der Suche nach Etwas von dem ich weiß dass es da ist, ich es aber nicht begreifen kann.
    Ich bin Jahrgang 1987 und ein Scheidungskind. Als ich 6 Jahre alt war, ließen sich meine Eltern trennen. Meiner Mutter, bei der ich im Folgenden aufgewachsen bin, hatte relativ zeitnah wieder einen neuen Freund. Er kam aus Ghana und brachte somit eine andere Kultur und vielleicht auch eine andere Philosophie von dem Verständnis von Mann und Frau oder der Erziehung von Kindern mit sich.
    Auch brachte er eine Tochter (2 Tage älter als ich) aus seiner ersten Ehe mit. Sie lebte in dieser Zeit noch bei einer Pflegefamilie und kam anfangs nur alle 2 Wochen zu Besuch. Auch ich hatte alle 2 Wochen ein Papa- Wochenende, der übrigens die ersten Jahre auch im gleichen Ort wohnte..
    Wir hatten turbulente Jahre, mit Familientherapie usw., hatten lange Abende, gerade in der Pupertät, in denen wir ewig in der Küche, oder wo auch immer in der Wohnung saßen und wir, die Kinder heulend und zehrend und schreiend und diskutierend da saßen um Etwas zu klären..

    Irgendwie schafften wir es aus dieser Phase heraus, machten die mittlere Reife und schlugen gute Wege ein.. Ich machte die Ausbildung zum Werkzeugmechaniker und danach den Maschinenbautechniker.. Ich bin gut durchgerutscht würde ich sagen.
    Ich hatte relativ spät eine Freundin, so mit 19. Diese dann aber bis ich 31 Jahre alt war. Also etwas über 11 Jahre (2018).
    2017 kündigten wir beide unsere guten Jobs um mehr zu erfahren. „Da muss es noch mehr geben“ als Arbeit usw.
    Wir vermieteten die Wohnung unter und flogen oneway nach SüdostAsien. 6 Monate dauerte unser Flash der Freiheit. Gegen Ende der Reise steckte ich ihr einen Ring an.. heute weiß ich, dass ich ihn aus dem äußeren Druck ansteckte, oder naja, schon auch aus Zuneigung, aber das finde ich an dieser Stelle und aus heutiger Sicht schwierig zu sagen, da ich damals noch weniger wusste was ich eigentlich möchte und was nicht und sowieso sehr sprunghaft in meinen Emotionen sein kann, gerade in der Beziehung mit dieser latenten Unzufriedenheit/ Melancholie/ Wut.

    Diese Reise hatte vorallem eines mit sich gebracht – Mir hat es den Boden unter den Füßen weg gezogen. Was folgte war ein tiefer Leidensweg. Wir wussten beide nicht was passiert und überhaupt waren wir ohnmächtig zu sprechen, zu erklären, uns halt zu geben. Wir verloren uns. Jeder entwickelte sich für sich selbst und brauchte Raum. Das war so schlimm damals für mich und ich zweifelte so sehr an mir und meiner Fähigkeit zu fühlen, zu lieben.. mir entglitt alles. Aus heutiger Sicht habe ich einen großen Fehler begangen, nämlich, ich habe mir traurige Dokus oder Filme angeschaut – schwere Kost (Human – Die Menschheit). Dadurch habe ich Zugang zu meinen Gefühlen und zu einem großen Weltschmerz gefunden. Leider habe ich „dieses Fühlen“ mit dem Fühlen in der Liebe, zu meinem Partner verglichen und vergeblich gesucht.. Diese Intensität war nicht da und das hat mich zerrissen!

    Auch wenn ich so gefühlt habe, wollte ich und will ich immer noch, vieles mit dem Verstand begreifen.. und darüber sinnieren und schreiben wie sich Dinge anfühlen.. Darin bin ich gut.. aber ich bin es auch leid ständig im Kopf zu sein.. Das Schreiben half mir ein wenig abzugeben, keine Gedankenschleifen mehr zu drehen.
    So kam es dass ich „spürte“, nochmal ankommen zu müssen um das alles hier zu „verstehen“..

    Im darauf folgenden Jahr (2018) machte ich mich per Rucksack, Zelt und Autostop nach Spanien auf (…)
    Meine Freundin kam mich für 10 Tage besuchen und wir trennten uns.. Es war absehbar und doch trauerte ich sehr!
    Nun, nach ihren Texten (besonders das pdf. DAS GROßE SCHWEIGEN) erkenne ich, dass ich nach dieser Trennung wieder alleine war.. schon während der ersten Krise nach SüdostAsien hatte ich das starke Bedürfniss die Dinge u verstehen, mich zu verstehen und eben auch in die Vergangen zu schauen – „Mama, wie war ich damals, wie ging es mir damals, wie habe ich mich verhalten“? Was ich zu hören bekam wa weniger befriedigend. Meine Mum ist eine besondere Frau.. sie ist kühl und doch super integriert. Kann sie gut anpassen und sogar Uhren bleiben schon ihr ganzes Leben lang stehen wenn sie diese trägt. „Leider“ ist sie gläubig. Das Wort leider nutze ich aus dem Grund, dass sie auf meine Frage ob es sie denn nicht intertessiert wer sie sei und ob sie sich nicht als etwas besonderes sieht, wegen der Uhren und so, dass Gott weiß wer sie ist und dass ihr das reiche. Das bringt mich in meiner Fragestellung meiner eigenen Identität leider nicht weiter.

    ..und so trudle ich, bin auf der Suche. Mir geht es finanziell ok, ich komme gut klar.. habe mein Konsumverhalten geändert usw. Das passt alles für mich.
    Und doch habe ich meinen Charakter, der der ich war, den habe ich irgendwo zwischen Kündigung und Heute verloren.

    Ich bin mir dem Prozess bewusst, dass ich die äußeren Schichten weitestgehend abgelegt habe, meine Identität, meinen Freundeskreis.. und bin einsam.
    Letztes Jahr (2019) bin ich dann mit Rucksack und Zelt quer durch Deutschland gelaufen – Heidelberg > Ostseeküste. Das war mitunter eine der ehrlichsten Erfahrungen die ich gemacht habe. Die Menschen waren neugierig und interessiert, doch sobald ich zu einer Gruppe gestoßen bin und dort ein wenig verweilte, hat sich keiner für mich interessiert. Der „Deckmantel“ des Touristen ist komplett weggefallen.. Ich war nur ein verrückter Deutscher in Deutschland und war irgendwie komisch. War zwar Teil der Gruppe, jedoch sehr ruhig und nackt und eingeschüchtert usw.

    Alles in Allem spüre ich dass es etwas gibt, dass mich in seinem Sog hat. Ich bin nun sehr weit vorgedrungen in meinem Prozess.. zumindest soweit ich es selbst geschafft habe.. mit der Erkenntnis dass ich jetzt zwar sehr nackt bin, mich aufgelöst habe, altes hab fallen lassen (äußere Faktoren) und mich auf die Suche nach innen begeben habe.. es dort aber mit meinen Mitteln im Moment nichts mehr zu finden gibt. Zumindest nicht so, ohne dass ich mir Schaden anrichte.
    Und so ist mein Plan für 2020, auch um die Trigger an meinen sicheren Hafen, meine vergangene Beziehung, nicht mehr zu füttern indem ich Situationen erlebe in denen ich mich schlecht und unsicher fühle, eben genau das Gegenteil zu machen – Situationen erleben in denen ich mich gut fühle. Projekte machen, einen Tanzkurs besuchen, ins boxen gehen..

    Gerade von der Sache mit dem Boxen oder dem tanzen, erhoffe ich mir „in den Körper zu kommen“, die Dinge ins fließen zu bekommen um so irgendwie mehr Zugang zu meinem Fühlen zu bekommen. Einen intensiven Vorgeschmack was Körperarbeit bei mir bewirken und auch ankratzen kann, habe ich in 2019 auf meiner Heldeneise nach Paul Rebillot erfahren! Da ist was altes, verdammt hartes, verkrustetes zum Vorschein gekommen, das mich in meiner Kindheit, nach der Trennung meiner Eltern, in meinen Alpträumen heimgesucht hatte. Ironischerweise hatte ich das schon einmal skizziert und formuliert wie sich das angefühlt hat. In dem Semnar dann gab es die Verknüpfung von Erlebtem in der Kindheit, in dem Fall im Traum, und dem Skizziert- und Beschriebenem. Das war wie ein Boost und, in dem Moment der Erkenntnis so nahe liegend dass diese beiden Sachen, also Kopf und Gefühl zusammengehören.

    Ich befinde mich auf meiner Reise.. und mir fehlt die Leichtigkeit!!

    Oh man, das tat erstmal ganz gut soweit. Eigentlich wollte ich nur wissen warum es den oben angegebenen Artikel über „Trauma zweite Generation“ nicht gibt und ob ich diesen irgendwo einsehen kann?

    Ich finde Ihre Veröffentlichungen klasse und möchte sie gerne weiter verfolgen.

    Erst einmal wünsche ich Ihnen alles Gute und in dieser Zeit vorallem Gesundheit!

    Liebe Grüße, Patrick Striegl aus Stuttgart

    • Lieber Patrick Striegl,
      da ist ja viel los bei Ihnen. Viel Erfolg.
      Ich weiß nicht, welchen Artikel Sie meinen. Es gibt zwei Bücher: „Kriegserbe in der Seele“ und „Wie Traumata in die nächste Generation weitergegeben werden“ und viele Artikel. Wenn Sie etwas wünschen, schicke ich es Ihnen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.