- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (1): Das Gefühl ernst nehmen
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (2): Der Verlust der Zugehörigkeit und des Eingehaustseins
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (3): Radikaler Respekt
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (4): Das verlorene Paradies, der innere Terror und die Sehnsucht nach dem, was heil ist
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (5): Der nützliche Abgrund
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (6): Wahrhaftigkeit und heiliger Zorn
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (7): Die Zeit der Asche und der Trauer
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (8): Spucken und Spucktöne
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (9): Etwas für den Körper tun
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (10): Dem Grummeln folgen
Eine Klientin erzählte: „Mir ist, als wäre ich aus dem Paradies vertrieben worden. So wie Eva, als sie den verbotenen Apfel gegessen hat. Doch dabei habe ich doch gar nichts getan. Ich habe nichts Verbotenes getan. Ich bin nur so gedemütigt und verraten worden. Vorher habe ich an mich geglaubt und an ein gutes Leben. Doch jetzt kommt mir das vor wie ein zerplatzter Traum. Ich bin aus dem Paradies vertrieben …“
So bemerkenswert bildhaft, wie diese Frau ihr Erleben schildert, können dies nur wenige Menschen, die sich verraten fühlen. Doch ihr Erleben ähnelt dem dieser Frau. Sie haben einen Zustand der Unschuld, den sie für normal hielten, verloren. Sie fühlen sich, als wären sie aus dem Paradies vertrieben worden – in … ja, in was denn? In den Alltag? Nein, es ist mehr als der Alltag. Es ist ein Alltag, der begleitet ist von Empfindungen des Terrors. Ein Mann, der einen existenziellen Verrat erlebt hat, sagt:
„Ich fühle mich seitdem terrorisiert. Immer muss ich daran denken. Immer muss ich überlegen, was ich falsch gemacht habe. Immer höre ich, dass es anders, das ist ein Terror, der in mir tobt. Ich kann es gar nicht anders sagen. Ich fühle mich hilflos und dem ausgeliefert.“
Der Alltag ist belastet, vielen so sehr, dass die Nachwirkungen des Verrats sogar als Terror erlebt werden.
Entscheidend ist, dass diese Menschen sich dem ausgeliefert fühlen, ohnmächtig, entmächtigt, wirkungslos … Dies zu erkennen, ist wichtig und es ist notwendig, den Menschen, die unter diesen Verratsfolgen leiden, dies zu erklären. Diese Ohnmacht, dieses Sich-ausgeliefert-Fühlen, ist ein Durchgangssyndrom, eine Phase, die bei vielen Menschen nach Erfahrungen des Verrats auftritt. Das zu verstehen, entfernt diese Phase nicht aus dem Erleben, aber es wird für die meisten leichter, sie zu durchleben, weil die Menschen wissen, dass danach etwas anderes kommt.
Damit etwas anderes kommen kann, damit ein anderes Erleben entstehen kann, ist es notwendig, dass die Menschen Erfahrungen der Wirksamkeit machen. Sie müssen merken, dass sie Wirkung haben, vor allem auf andere Menschen, auch auf Therapeutinnen und Therapeuten. Dass sie zum Beispiel im kreativen Gestalten etwas verändern können. Dass sie kleine Schritte der Veränderung unternehmen in ihrem Alltag, indem sie das Gefühl spüren, wieder den Weg zu beschreiten, sich zu ermächtigen. Hier geht es nicht um die großen Lösungen oder Riesenschritte, sondern fast immer um kleine Schritte, um kleine Erfahrungen der Wirksamkeit und Ermächtigung, bei denen Menschen, die Klientin oder Patientin, die an den Folgen von Verratserfahrungen leiden, unterstützen sollten.
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Hallo, heute Nacht wurde mir spürbar klar das ich von meiner Mutter und Schwester, später auch von meinem Vater verraten wurde. Das Wort Verrat kam mir nicht ins Gefühl. Ich fühle/fühlte mich abgeschnitten, nicht dazugehörig, einsam, hilflos, gedemütigt, wütend, enttäuscht………..Durch Ihren Artikel wurde mir klar das mir durch den Verrat das selbstverständliche Gefühl der Dazugehörigkeit, mein inneres und äußeres Zuhause und das Vertrauen in Andere und mich selbst stark verletzt, ja fast zerstört wurde. Ich wurde fast zerstört. Ich danke Ihnen für diese zusammenhängende Erkenntnis. MfG Kirsten Wiegel