- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (1): Das Gefühl ernst nehmen
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (2): Der Verlust der Zugehörigkeit und des Eingehaustseins
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (3): Radikaler Respekt
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (4): Das verlorene Paradies, der innere Terror und die Sehnsucht nach dem, was heil ist
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (5): Der nützliche Abgrund
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (6): Wahrhaftigkeit und heiliger Zorn
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (7): Die Zeit der Asche und der Trauer
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (8): Spucken und Spucktöne
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (9): Etwas für den Körper tun
- Verrat überleben, Verratsfolgen bewältigen (10): Dem Grummeln folgen
In skandinavischen Sagen und Heldengeschichten begegnen wir oft dem Phänomen, dass sich Männer, die sehr tatkräftig waren und sind, eine Zeit lang zurückziehen, sich in den großen Höfen neben die Kamin-Feuer legten, mit Asche bedeckten und dort lange Zeit nahezu apathisch verharrten. Dies wurde „Zeit der Asche“ genannt. Heute würde die Diagnose wahrscheinlich „depressive Episode“ lauten. Doch es muss nicht gleich eine Depression sein, wenn Menschen den Impuls haben, sich zurückzuziehen.
Dieser Rückzug wird oft begleitet von Schmerz und von Trauer. Viele Menschen, die Opfer von Gewalt waren, dadurch traumatisiert wurden und sich dabei und dadurch verraten fühlten, durchleben solche Phasen des Rückzugs in Schmerz und Trauer, solche „Zeiten der Asche“. Und das ist gut so, das ist normal. Wer einer gewalttätigen Nähe ausgesetzt wurde, braucht Abstand. Rückzug ist dann eine wichtige Hilfe, um Schmerzen verdauen und bewältigen zu können. Es ist hilfreich, dies Menschen, die Trauma und Verrat erlebt haben, zu erklären, damit sie nicht noch mit sich hadern, weil sie das Bedürfnis nach solchen Zeiten der Asche verspüren.
Und gleichzeitig wohnt diesen Zeiten der Asche etwas Paradoxes, etwas Widersprüchliches inne. Auf der einen Seite gibt es das Bedürfnis nach Rückzug und Kontaktabbruch und auf der anderen Seite wissen wir, dass es gut ist, den Schmerz und die Trauer mit anderen Menschen zu teilen. Diese widersprüchlichen Aspekte werden nicht durch ein Entweder-Oder verknüpft, sondern durch ein großes UND verbunden. Beide Seiten sind notwendig und wichtig, beide Aspekte sollten leben dürfen. Es ist hilfreich, sich Zeiten der Asche zu gönnen, und es ist notwendig, Schmerz und Trauer zu teilen, damit sie vorübergehen und ihre Kraft verlieren können.
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Die Worte „Zeiten der Asche“ lösen etwas wunderbares in mir aus.
Was entsteht aus der Asche? Der Phönix.
Danke für Ihre tollen Beiträge und Mut-Macher 🙂