- Trauma und Zeiterleben Teil 1: Objektive und subjektive Zeit
- Trauma und Zeiterleben Teil 2: Vom Verlangsamen und vom Beschleunigen
- Trauma und Zeiterleben Teil 3: Paranoia
- Trauma und Zeiterleben Teil 4: Zeitkollaps
- Zeiterleben und Trauma, Teil 5: Das Warten
- Zeiterleben Trauma, Teil 6: Zeitliche Dissoziationen
- Zeiterleben und Trauma, Teil 7: Immer zu spät kommen
Ellen B. gab sich große Mühe, doch sie kam immer zu spät. Sie stellte sich morgens den Wecker rechtzeitig. Sie ging eine halbe Stunde früher aus dem Haus. Sie unternahm alles Mögliche, doch immer wieder kam sie zu spät. Insbesondere wenn sie Menschen traf, die ihr besonders wichtig waren, verspätete sie sich regelmäßig. Das galt für das Vorstellungsgespräch genauso wie für die Begegnung mit einer ihr lieben Freundin. Es war verflixt. Sie haderte mit sich und schimpfte sich aus. Doch je mehr sie sich Druck machte, desto schlimmer wurde es.
Eine Veränderung trat erst ein, als ihr in der Therapie deutlich wurde, dass dieses Verhalten im Zusammenhang mit einer früheren traumatischen Erfahrung stand. Ellen B. war als junges Mädchen vergewaltigt worden. In der Zeit danach, so erzählte sie, war ihr gesamtes Zeitgefüge auseinandergeraten: „Ich wusste nicht mehr, ob es morgens oder abends ist. Ich vergaß die Zeit. Ich hatte völliges Chaos. Ich war in den Abgrund gefallen. Alles war aus den Fugen geraten. Auch meine Zeit … Vielleicht mag dies auch damit zusammenhängen, dass ich mir damals oft sagte: Ach wärest du doch nicht zu dieser Zeit an diesem Ort gewesen, wo die Tat geschah. Das weiß ich nicht genau. Aber im Wesentlichen glaube ich, dass mein jetziges Zuspätkommen mit diesem Aus-den-Fugen-Geraten meiner Zeit zusammenhängt.“
Es lohnt sich, solchen Zusammenhängen nachzugehen. Als Ellen B. diesen Zusammenhang erkannte, konnte sie liebevoller mit sich umgehen, verringerte den Druck, sodass es ihr allmählich immer besser gelang, auch dort wo es ihr wichtig war, halbwegs pünktlich die vereinbarten Zeiten einzuhalten.
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