- Trauma und Zeiterleben Teil 1: Objektive und subjektive Zeit
- Trauma und Zeiterleben Teil 2: Vom Verlangsamen und vom Beschleunigen
- Trauma und Zeiterleben Teil 3: Paranoia
- Trauma und Zeiterleben Teil 4: Zeitkollaps
- Zeiterleben und Trauma, Teil 5: Das Warten
- Zeiterleben Trauma, Teil 6: Zeitliche Dissoziationen
- Zeiterleben und Trauma, Teil 7: Immer zu spät kommen
Der amerikanische Psychiater Vamik Djemal Volkan prägte den Begriff Zeitkollaps. Er betrifft in keiner Weise die objektive Zeit, sondern ausschließlich das subjektive Zeiterleben. Ein Zeitkollaps meint, dass Menschen subjektiv in zwei Zeiten leben und sich dieses Zeiterleben überschneidet. Eine alte Frau hält zum Beispiel das Donnergrollen eines Gewitters für die Geräusche eines Bombenabwurfs. Sie erinnert sich nicht kognitiv an die damalige Zeit, sondern sie erlebt sich und ihre Welt, als würden die Bomben in diesem Moment fallen. Sie lebt also in zwei Zeiten, in der Zeit der Bombardierung und in der Gegenwart. Traumatisierte Menschen leben oft in zwei Zeiten gleichzeitig. Beide Zeiten kollabieren.
Ein Zeitkollaps ähnelt einem Flashback. In dem Wort Flashback ist das Wort Flash – also Blitz – enthalten. Hier blitzt etwas von einer früheren Zeit, also einem traumatischen Erleben, auf. Ein Zeitkollaps ist intensiver und dauert länger. Dementsprechend erleben die Menschen den Schrecken der traumatischen Bedrohung besonders stark.
Die Erfahrungen des Zeitkollapses sind zumeist negative Erfahrungen, weil schlimmes Erleben wieder lebendig wird. Doch dadurch, dass sich zwei Zeiten ineinander verweben und überlappen und als gleichzeitig erlebt werden, existiert weiterhin ein Zugang zur Gegenwart, zur im Jetzt erlebten und erlebbaren Zeit. In der Gegenwart Kontakt, möglichst Sinneskontakt, mit den betroffenen Menschen aufzunehmen, ist der Königsweg, sie aus diesem Schrecken heraus zu begleiten:
„Ich bin hier.“
„Spüren Sie meine Hand.“
„Schauen Sie mich an.“
„Ich passe auf Sie auf.“
„Sie sind jetzt nicht alleine.“ ….
Es gilt, den im Zeitkollaps lebendig gewordenen Schrecken ernst zu nehmen und nicht zu verniedlichen oder gar zu leugnen. UND durch die Begleitung, durch die sinnlich und sinnhaft spürbare Nähe, können wir betroffenen Menschen dabei helfen, dass das Erleben der sicheren Gegenwart deutlicher und kraftvoller wieder in den Vordergrund tritt.
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