- Fremdsein und Trauma (1): Das Fremde zwischen Angst und Sehnsucht
- Fremdsein und Trauma (2) „ Ich bin mir fremd „
- Fremdsein und Trauma (3): „Die anderen sind anders“
„Die andern sind anders“, sagt ein traumatisierter junger Mann. „Ich habe etwas erlebt, was die andern nicht kennen. Die fragen mich manchmal. Aber wenn ich erzähle, denke ich, dass das die andern gar nicht interessiert. Die wollen das nicht wirklich wissen. Verstehen kann das ja nur jemand, der es wirklich kennt. Ich hab aufgegeben.“
Solchen Äußerungen und solchen Gefühlen begegnen wir bei zahlreichen traumatisierten Menschen. Sie haben recht und sie haben unrecht. Richtig ist, dass das Erlebens traumatisierender Gewalt eine einzigartige Erfahrung ist. Der schrecken ist individuell, das Erleben existenzieller Bedrohung eine Erfahrung, die„aus dem Rahmen“ fällt und jeden Rahmen sprengt. Eine solche Erfahrung mit anderen zu teilen, stößt an Grenzen.
Und doch gibt es einige Gegenargumente, die sich dagegen wenden, den Versuch, die Erfahrungen zu teilen, aufzugeben:
- Es gibt viele, die Erfahrungen von Gewalt und anderen traumatisierenden Erfahrungen machen mussten. Unter den Frauen ist es jede Dritte, unter Männern jeder Siebte. Mindestens. Das heißt: Es gibt mehr Menschen mit ähnlichen Erfahrungen, als oberflächlich zu erkennen ist.
- Mitgefühl, das Teilen von Hilflosigkeit, von Trauer und Zorn auf die Täter – all das ist auch möglich, wenn jemand nicht die gleichen Erfahrungen gemacht hat wie ein Opfer z. B. sexueller Gewalt. Teilen von Gefühlen hilft.
- Wenn Opfer erzählen, tut ihnen das zumeist gut. Sie begegnen dabei oft dem Erschrecken der anderen. Vieles ist so unvorstellbar, so fremd, so außerhalb dessen, was fassbar ist, dass viele Zuhörende vor Schrecken erstarren und verstummen. Wenn Sie zu den Zuhörenden gehören, sagen Sie das: „Mir fehlen die Worte. Ich glaube Ihnen und es ist so unglaublich!“ Das hilft, damit die Erzählenden nicht denken, Sie hätten kein Interesse.Wenn Sie zu denen gehören, die erzählen, und merken, dass sich im Gegenüber etwas verändert, dann fragen Sie nach: „Was ist los?“ Resignieren Sie nicht, sondern unterstellen Sie den anderen Mitgefühl und gleichzeitig Unsicherheit, mit dem Gehörten umzugehen.
- Durch traumatische Erfahrungen sind Menschen aus ihrer bisherigen Welt des Selbstverständlichen gestoßen worden. Dieses Sich-fremd-Fühlen vergrößert die Erwartungen, von anderen „sowieso nicht“ verstanden zu werden. Das ist wichtig zu wissen und zu berücksichtigen.
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