- Zur Geschichte der Trauma-Leugnung, Teil 1: Ehre für Ulrich Venzlaff
- Zur Geschichte der Trauma-Leugnung, Teil 2: Vom „Eisenbahn-Rücken“ bis zur „traumatischen Neurose“
- Zur Geschichte der Trauma-Leugnung, Teil 3: Zwischen den Weltkriegen: die „Kriegszitterer“
Ulrich Venzlaff wurde 1921 geboren und starb 2013. Er erregte Aufsehen, als er sich in einem Gutachten für eine Entschädigung eines ehemaligen Naziverfolgten einsetzte. Dies geschah schon 1952. Er erkannte bei den traumatisierten Menschen eine „verfolgungsbedingte Neurose“. Dieses Gutachten versetzte die Öffentlichkeit und vor allen Dingen das zuständige Entschädigungsamt in große Unruhe, weil diese eine „Gefahr einer nachfolgenden Lawine von Rentenansprüchen“ zu erkennen meinten. Denn bis dahin stand es außer Frage, dass Verfolgungen im Nationalsozialismus und andere Traumata oder erst recht Kriegsfolgen keinerlei Entschädigungsansprüche begründeten.
Das Entschädigungsamt beauftragte deshalb den Tübinger Prof. Dr. Ernst Kretschmer für ein Gegengutachten. Der behauptete, dass es keine verfolgungsbedingten Neurosen geben könne, da „die Ausgleichsfähigkeit des Organismus bei schweren psychischen Traumen unbegrenzt sei.“ [1] Wie es damals üblich und heute immer noch manchmal der Fall ist, hatte der Gutachter Kretschmer den betroffenen Menschen kein einziges Mal persönlich gesehen.
Das Gericht gab Venzlaff Recht und folgte seinem Gutachten, das sich für eine Entschädigung bzw. für einen Rentenanspruch aussprach. Dies war die große Ausnahme in der damaligen Zeit. Bis in den Anfang der Siebziger Jahre hinein wurden Trauma-Folgen von der großen Mehrheit der deutschen Universitätspsychiater und damit Gutachtern geleugnet, denen die Gerichte folgten. Ulrich Venzlaff kämpfte sein Leben lang für seine Position. Ihm gebührt Ehre.
[1] Seidler und andere, Handbuch der Psychotraumatologie, 2015, Stuttgart, Seite 11
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