Die Abstimmung in Irland, Abtreibung und die Würde Teil1

 

 

 

Von Udo Baer und Gabriele Frick-Baer

Wir sind sehr erfreut über das Abstimmungsergebnis der Iren, dass sie sich in ihrer Mehrheit dafür ausgesprochen haben, den Frauen das Recht auf eigene Entscheidungen für oder gegen eine Schwangerschaft zu geben, sie zu respektieren und zu legalisieren. Wir sind erleichtert, dass die Not der Frauen, in die sie die Illegalität eines Abbruchs getrieben hat, laut geworden und gehört worden ist. Wir hoffen, dass der Scheinheiligkeit ein Ende bereitet wird, das ungeborene Leben zu schützen und das geborene Leben der Kinder der „gefallenen Frauen“ grausam in foltergleicher Heimerziehung und Morden mit Füßen zu treten. Wir freuen uns, dass Solidarität und Mut und ernsthafte Auseinandersetzung mit Themen der Menschenwürde zu gesellschaftlichen und juristischen Konsequenzen geführt hat.

Warum nehmen wir dieses Ereignis als Anlass für einen Beitrag? Warum sind wir so positiv erschüttert – berührt und erleichtert? Wir haben miteinander darüber gesprochen und gemerkt, dass uns dabei viele Facetten beschäftigen und berühren, denen wir hier, wenn auch in aller Kürze und damit Verkürzung, einen Raum geben wollen.

Wir sind den Frauen (und Männern) dankbar, die vor Jahrzehnten in unserem unmittelbaren Lebensumfeld, in der Bundesrepublik Deutschland, den Schwangerschaftsabbruch aus dem Tabu, dem Schweigen gelöst haben. Die Überwindung, die es damals wie heute kostete, zu den intimsten Belangen eines Lebens durch die Scham hindurch öffentlich Stellung zu beziehen, ist unserer Meinung nach nicht hoch genug einzuschätzen. Sie erreichten mit dieser öffentlichen Diskussion, dass die Tatsache der Schwangerschaftsabbrüche zur Kenntnis genommen werden musste und die Frauen- und Kinder-verachtenden bzw. -feindlichen Einstellungen ins Bewusstsein weiter Teile der Öffentlichkeit gehoben wurden. Die verheerenden Konsequenzen, die sich aus der unerbittlichen Haltung von gesellschaftlichen, juristischen und kirchlichen Institutionen gegenüber Frauen, die ungewollt schwanger geworden waren – nicht nur gegenüber denjenigen, die unter den erbärmlichsten und lebensgefährlichsten Umständen abgetrieben hatten, sondern auch gegenüber denjenigen, die gezwungen waren, ihre Kinder zu gebären –, zeigt sich in vielen Biografien. Ihnen begegneten die Monster der Entwürdigung, die Gewalt, die Beschämung, die Erniedrigung, Demütigung, die De-Personalisierung und das Fehlen jedweden Respektes vor den Bedürfnissen menschlicher Wesen. Das wissen wir aus vielen Therapieerfahrungen.

Für uns könnten diese und die folgenden Aussagen ein gedanklicher Leitfaden in einem weiteren Kapitel in unserem Buch „Deine Würde entscheidet“ sein. Es hätte dann die Überschrift: „Die Würde der Frauen und Kinder – Das Würde-Ich in Aktion“.

Wir würden beschreiben, wie Not-wendig es ist, dass die Frauen die Hoheit über ihre Entscheidung, ob sie die Schwangerschaft abbrechen oder ein Kind austragen und gebären wollen, haben. Dass sie, wie auch immer ihre individuelle Entscheidung ausfallen mag, jeden Respekt und jede konkrete Unterstützung zu erwarten und ihre Einlösung zu erwarten hat.

Wir würden uns gegen den abschätzigen Tonfall wehren, der häufig dem Wort „Selbstverwirklichung“ beigemischt ist, wenn es in einen Zusammenhang mit Abtreibung gestellt wird – und dabei beispielhaft die Geschichte von Frau A. erzählen, die Wert auf ihr Recht auf Selbstbestimmung legt, sich aber verletzt von der Unterstellung fühlt, sie wolle ein egoistisches Luxusleben führen. Uns ist keine Frau begegnet, die sich „einfach so“ oder „leichtfertig“ für eine Schwangerschaftsunterbrechung und gegen ein Kind entschieden hätte.

Wir würden aber auch z. B. Frau B. eine Stimme verleihen, die von ihrem Arzt aufgrund eines genetischen Risikos angeraten bekommt, sich mit der Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs auseinanderzusetzen und die sich, gemeinsam mit ihrem Mann, dagegen entscheidet und ihr Kind austragen will.

Wir würden ausführlich beschreiben, warum wir das Diskriminierungsverbot z. B. behinderter Menschen dem generellen Recht auf Abtreibung gleichstellen. Dass Frau C. sogar in ihrem Freundeskreis Aussagen erleiden muss wie: „Heute muss doch keiner ein behindertes Kind mehr zur Welt bringen“, ist schier unaushaltbar.

Die Entscheidungen der Frauen für oder gegen eine Abtreibung müssen gewürdigt werden. Das ist nicht einfach und das geht nicht allein. Dafür und dabei brauchen Frauen (und Männer) Unterstützung.

Wir befürworten, dass Frauen das Recht auf Abtreibung haben. UND wir sind dafür, dass möglichst große Bemühungen unternommen werden müssen, eine Geburt der Kinder unter menschenwürdigen Bedingungen zu ermöglichen, im Interesse der Ungeborenen und im Interesse der Frauen.

Weitere Artikel dieser Serie: Die Abstimmung in Irland, Abtreibung und die Würde Teil 2: Abtreibung und die Zeit danach >>

About Udo Baer und Gabriele Frick-Baer

Udo Baer Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Geschäftsführer und Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Mitinhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor Gabriele Frick-Baer Dr. phil. (Erziehungswissenschaften), Diplom-Pädagogin, Kreative Leibtherapeutin AKL, Vorstandsmitglied der Stiftung Würde und wissenschaftliche Leitung der Kreativen Traumahilfe der Stiftung Würde, Kreative Traumatherapeutin, Autorin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.