In Anschluss an die letzten 2 Beiträge heute unsere Gedanken zu einer der bedeutendsten Fragen, die einem in der Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen begegnen. Mehr zu dem Thema lesen Sie in unserem Buch „Flucht und Trauma – wie wir traumatisierten Flüchtlingen wirksam helfen können“, das am 25. April 2016 erscheinen wird.
Die Identität eines Menschen ist das Unverwechselbare, das, was ihm eigen ist und was ihn einzigartig macht. Das Wort „iden“ kommt aus dem Lateinischen und bezeichnet das Eigene, das Unverwechselbare. Die Identität traumatisierter Flüchtlinge ist in doppelter Weise beschädigt. Wer sein Heimatland verlassen musste und sich als Flüchtling in einer fremden Umgebung befindet, ist verunsichert und muss verunsichert sein. Vertrautes, was in der eigenen Persönlichkeit selbstverständlich geworden ist, was zur Identität gehörte, ist nicht mehr wie bisher vorhanden oder nur noch in Resten spürbar und erfahrbar. Und dann kommt Neues hinzu. Die Entwicklung der eigenen Identität ist Veränderungen und Herausforderungen unterworfen, was sich nicht ohne Brüche und Irritationen vollziehen kann.
Zweitens ist die Identität durch die traumatischen Erfahrungen erschüttert, durch die Erfahrungen des gesamten traumatischen Prozesses, wie wir ihn beschrieben haben. Das individuelle Menschsein ist in Zweifel gestellt.
Wir müssen daraus die Konsequenz ziehen, dass die Unterstützung von Flüchtlingen zur Traumabewältigung immer auch eine Unterstützung in der Entwicklung beziehungsweise Wiederherstellung zumindest eines Rahmens ihrer Identität ist oder besser sein müsste. Wiederherstellbar ist ein Identitätsgefühl, ein Gefühl der zumindest relativen Sicherheit des Selbstwertes, des Selbstgewahrseins, der Selbsteinschätzung: Ich weiß, wer ich bin. Nicht wiederherstellbar ist die gleiche Identität, wie sie vor der Flucht, vor den traumatischen Erfahrungen selbstverständlich war. Zu stark sind die Veränderungen, als dass ein Weg zu einem Zustand „so wie früher“ möglich ist. Dies zu sehen und zu akzeptieren, ist hilfreich, weil es von Druck entlastet.
- Am 05.04.2023 erschienen – ein neues Buch von Udo Baer und Gabriele Frick-Baer: „Trauma – Die 99 wichtigsten Fragen und Antworten aus der therapeutischen Praxis“ - 24. April 2023
- Am 30.11.2021 erscheint ein neues Buch von Udo Baer und Gabriele Frick-Baer: Therapie und Würde – Sprachleib, Würde-Achtsamkeit, Bedeutungsüberhang… Kreative Leibtherapie Band 3 - 22. November 2021
- Drei aktuell erschienene Artikel zu unterschiedlichen Aspekten des Themenbereichs „Trauma“, von Udo Baer und Gabriele Frick-Baer - 18. Mai 2020
- „Die Scham der Frauen und die Scham der Männer“, ein Interview mit Dr. Gabriele Frick-Baer - 13. Mai 2019
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