Was tun bei »seltsamen« Gefühlen traumatisierter Kinder?, Teil 2: Angst

 

 

 

Traumatische Erfahrungen bewirken in den Kindern, dass sie in all ihrem Erleben erschüttert sind. Dazu gehört auch ihr Gefühlsleben. Manche Gefühle verschwinden scheinbar, andere werden stärker, wieder andere verändern sich in ihren Inhalten und ihrem Ausdruck. Deswegen werde ich in den folgenden Abschnitten auf einige dieser Gefühle eingehen, die Veränderungen durch traumatische Erfahrungen beschreiben und Ihnen Hinweise geben, wie Sie damit umgehen können.

 

Alle Kinder haben Angst. Angst ist ein nützliches Gefühl, denn es bewahrt Kinder (und Erwachsene) davor, sich in gefährliche Situationen zu begeben. Wenn wir Trauma-Folgen betrachten geht es also nicht um die Angst an sich, sondern vor allem um das Maß der Angst. Viele traumatisierte Kinder sind im Nachklang extrem angstvoll. Sie wurden und sie fühlten sich existenziell bedroht und konnten dies nicht bewältigen. Also ist es nachvollziehbar, dass ihre Angst steigt, manchmal sogar ins Unermessliche.

Zusätzlich können oft Trigger, die wir schon beschrieben haben, Auslöser für Ängste sein. Zum Beispiel durch den Knall einer Tür, der sich wie das Geräusch eines Schusses anhört, kann die Kriegserfahrung von geflüchteten Kindern wieder lebendig werden und sie bekommen Angst. Doch auch über solche Trigger hinaus verfestigt sich in vielen Kindern die Ängstlichkeit. Es entstehen frei flotierende Ängste, die sich meist gar nicht an konkreten Geschehnissen festmachen, sondern umherschwirren und nicht zu greifen sind. Diese Kinder brauchen Trost und Wärme, Unterstützung und Halt, wie ich es immer wieder beschrieben habe. Darüber hinaus ist es hilfreich, sich mit den Kindern einzeln oder in der Gruppe generell dem Thema Angst zu widmen. Und dazu können Geschichten aus Büchern oder Bilderbüchern hinzugezogen werden.

Besonders wichtig ist, dass Sie als frühpädagogische Fachkraft die Angst ernst nehmen. Also nicht sagen: »Ist doch nicht so schlimm.« Oder: »Hier passiert doch nichts!« Sie sollten immer zuerst einmal andocken und dem Kind zeigen: »Ja, du hast Angst und deine Angst nehme ich ernst.« Als zweiter Schritt hilft dann, zu versuchen, die Angst möglichst zu konkretisieren: »Wovor hast Du Angst?«, »Was kann Dir konkret passieren?« Je konkreter eine Angst wird, umso mehr können Sie helfen. Wenn ein Kind davor Angst hat, dass sich ein Schatten zeigt, dann kann das Licht auf diese Schattenstelle gerichtet werden. Wenn Kinder sich vor lauten Geräuschen ängstigen, kann man die Quelle dieser Geräusche erkunden und dem Kind die Sicherheit vermitteln, dass zum Beispiel von der zuschlagenden Tür keine Gefahr ausgeht. Doch der Anfang und der Boden sollten immer darin bestehen, dass Sie die Ängstlichkeit der Kinder achten und nicht zu verharmlosen versuchen.

Achten Sie die Kinderängste und versuchen Sie sie zu konkretisieren, um den Kindern möglichst viel Sicherheit vermitteln zu können.

Weitere Artikel dieser Serie: << Was tun bei »seltsamen« Gefühlen traumatisierter Kinder?, Teil 1: NeugierWas tun bei »seltsamen« Gefühlen traumatisierter Kinder?, Teil 3: Zorn >>

About Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Inhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

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