Was Begleiter/innen traumatisierter Menschen brauchen, Teil 2: Trauern



 

 

Das Gefühl des Trauerns ist ein äußerst hilfreiches Gefühl in der Bewältigung traumatischer Erfahrungen und ihrer Folgen. Denn Trauern ist das Gefühl des Loslassens. Wenn Menschen mit traumatischen Erfahrungen trauern können, löst sich das Trauma nicht auf, aber es kann an Kraft verlieren und einen anderen Platz im Leben erhalten.

Nun besteht das Problem meistens darin, dass viele traumatisierte Menschen nicht oder nur schwer trauern können. Der Schock der traumatischen Erfahrung schwächt viele Gefühle außer der Angst ab, vor allem die Trauer. Die Trauer erstarrt oft, so wie die Menschen selbst oft erstarrt sind. Im Zuge eines Beratungs- oder therapeutischen Prozesses können Elemente der Traurigkeit lebendig werden, nach und nach. Oft bleibt die Traurigkeit aber verborgen – unbewusst, halb bewusst, zumindest findet sie keinen verbalen Ausdruck. Doch Begleiter/innen in Therapie und Beratung, die sensibel sind und eine hohe Resonanzbereitschaft haben, spüren die Trauer. Das ist meine Beobachtung. Und diese leiblich gespürte Trauer mobilisiert die eigenen Erfahrungen von Traurigkeit; als ob frühere Erfahrungen des Loslassens (sie können traumatisch gewesen sein oder anders) sich wieder in Erinnerung rufen wollen. Unser Leid greift auf das Reservoir unserer Traurigkeiten und unseres Trauererlebens zurück.

Je offener wir für unsere eigenen Trauererfahrungen sind, desto eher können wir auch die Traurigkeit der Klient/innen durch uns hindurch und wieder herausfließen lassen. Das ist wichtig zu wissen, so wie es generell wichtig ist, die eigene Traurigkeit zu kennen. Wenn Therapeut/innen und Berater/innen mit traumatisierten Menschen arbeiten, werden sie nahezu immer auch von deren verborgener oder offener Traurigkeit berührt. Das ist nicht nur notwendig zu wissen, sondern auch hilfreich, um die eigenen Resonanzen als Hinweis nutzen zu können für das, was im Gefühlsleben der Klient/innen gerade geschieht. Sinnvoll ist es auch zu wissen, mit welchen Copings, mit welchen Bewältigungsstrategien man selbst mit der Trauer umgegangen ist. Vielleicht können sich daraus Anregungen für die Begleitung der traumatisierten Klienten/innen ergeben. In jedem Fall ist es hilfreich, in der Begleitung traumatisierter Menschen nicht nur von der eigenen Traurigkeit und eigenen Trauererfahrungen zu wissen, sondern sich selbst ihnen aktiv zu stellen:

Was hilft Ihnen, wenn Sie traurig sind?

Welche Unterstützung brauchen Sie?

Was tut Ihnen gut? …

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About Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Inhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

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