Trost, Teil 4: Was nicht hilft

 

 

 

Es gibt drei Sätze oder Haltungen, die oft im Zusammenhang mit Versuchen zu trösten verwendet werden und die nicht helfen. Sie mögen gut gemeint sein, gehen aber bestenfalls ins Leere und richten sogar meistens Schaden an.

Der erste Satz lautet: „Alles wird wieder gut.“

Nach einer traumatischen Erfahrung wird nicht wieder alles gut, genauso wenig wie nach einer schweren Erkrankung oder nach dem Verlust eines geliebten Menschen. Es hat sich im Leben etwas verändert. Ja, es besteht die Möglichkeit, weiter ein gutes und halbwegs oder sogar sehr glückliches Leben zu führen. Doch es wird nicht alles wieder gut. Es sind Wunden gerissen worden, die Narben und Leerstellen hinterlassen. Das spüren die verletzten Menschen. Deswegen kommt der Satz „Alles wird wieder gut“ vielleicht gut gemeint an, aber die traumatisierten Menschen wissen, dass er nicht stimmt. Richtiger ist es, festzustellen, dass es Verletzungen gibt, die Narben hervorgerufen haben, dass es Veränderungen im Leben gibt und diese zu akzeptieren und zu würdigen. „Ja, es ist schlimm.“ „Ja, Sie sind verletzt.“ „Ja, das hat Folgen für das weitere Leben.“ Und dann kann das große UND weiterhelfen, UND es gibt die Möglichkeit, mit Unterstützung anderer einen Weg zu suchen und zu beschreiten, der besser ist, als es sich jetzt gerade anfühlt.

Der zweite Satz, der nicht hilft, betrifft alle Formen von Druck. Zum Beispiel: „Reiß dich zusammen und schau nach vorne!“ Nach vorne zu schauen, ist hilfreich, doch die Gegenwart und die Vergangenheit müssen gewürdigt werden. Diese Zwischenschritte zu überspringen, hilft nicht, sondern verleiht der Not und dem Schrecken der Vergangenheit und der Gegenwart sogar Kraft, die die meisten weiteren Blicke und auch Schritte nach vorne beeinträchtigen. Druck hilft nicht. Und nur nach vorne zu schauen auch nicht. Unser Motto lautet auch beim Trösten: „Würdigen, was ist.“ Wir sollten die Verletzungen und Wunden würdigen UND den Blick nach vorne in die Zukunft wagen. Beides. Kein „entweder-oder“.

Die dritte Art von tröstend gemeinten Sätzen besteht darin, dass die verletzten Menschen aufgefordert werden, „ein richtiges Maß“ des Trauerns oder des Schmerzes zu finden. „Das Trauerjahr ist doch vorbei!“ Oder: „Jetzt hast du dich genug im Schmerz gesuhlt.“ Doch Trauer, Schmerz und alle anderen Folgen von Verletzungen sind leiblich, betreffen das Erleben eines Menschen, und das hat kein objektives und kein allgemeingültiges Maß. Wie lange Trauer sinnvoll und notwendig ist, ist für jeden Menschen verschieden. Für manche gilt das Trauerjahr, für manche einige Monate, andere brauchen drei oder vier Jahre. Wer soll und will das vorschreiben? Manche können sich von dem traumatischen Schrecken nach einiger Zeit lösen. Andere brauchen länger, viel länger. Auch hier gilt: Es gibt kein richtiges Maß. Es geht nur darum, die Individualität und die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Menschen zu würdigen und zu respektieren.

Weitere Artikel dieser Serie: << Trost, Teil 3: Trost ist BeziehungTrost, Teil 5: Du bist nicht allein >>

About Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Inhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

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