Strafe?

 

 

Ein Mann, der von anderen zusammengeschlagen wurde, und noch ein Jahr danach an den Verletzungen und vor allem an dem traumatisierenden Schock leidet, erzählt: „Als jetzt endlich die Gerichtsverhandlung näher rückte, kamen die alten Erinnerungen wieder hoch. Ich hatte sie vorher schon etwas beiseitegeschoben, aber jetzt ging es wieder los. Und gleichzeitig war ich froh, dass es eine Gerichtsverhandlung gab. Mir war es wichtig, dass die Täter bestraft werden und ich Gerechtigkeit bekomme. Ich weiß, dass eine Strafe meine Leiden nicht ungeschehen machen kann. Aber trotzdem. Es war mir wichtig.“

Das hören wir oft. Dieses Anliegen der Gewaltopfer ist richtig und wichtig. Es ist berechtigt.

Nach der Gerichtsverhandlung war der zitierte Mann entsetzt. Der Haupttäter hatte eine kleine Strafe auf Bewährung erhalten mit der Begründung, er hätte ja eine schwere Kindheit gehabt, die man berücksichtigen müsse. Sein Vorstrafenregister bestand darin, dass er schon über 30mal angezeigt worden war wegen Diebstählen und Gewalttaten. Doch der Wunsch, ihn zu resozialisieren, war auf der Seite des Richters so groß, dass er nicht als Serientäter eingestuft wurde. Die Reaktion des Opfers ist verständlich. Da schlägt einen jemand zusammen, man hat starke Schmerzen und ist traumatisiert –  und dann wird der Täter auf freien Fuß gesetzt, weil er eine schwere Kindheit hatte …

Ja, ich bin auch der Meinung, dass Täter eine Chance bekommen sollten, ihr Leben zu ändern. Ja, ich bin auch der Meinung, dass die Biografie, die Lebensgeschichte der Täter berücksichtigt werden muss. Doch das darf nicht dazu führen, dass die Interessen und die Gefühle der Opfer völlig außen vorbleiben. Das darf nicht dazu führen, dass Täter und Opfer im gleichen Warteraum auf die Verhandlung warten müssen. Das darf nicht dazu führen, dass das Gerechtigkeitsgefühl der Opfer mit Füßen getreten wird.

Die Opfer und deren Anliegen spielen in der heutigen Justiz in weiteren Bereichen – so hören wir jedenfalls – kaum eine Rolle. Das ist falsch.

Und noch etwas: Damit Täter eine Chance bekommen sich zu ändern, brauchen sie Reue. Nicht nur ein oder zwei Lippenbekenntnisse, sondern tätige Reue, indem sie sich entschuldigen und etwas tun, was künftige Taten verhindert. Das muss sichtbar sein und praktisch sein. Nur dann kann eine Chance der Veränderung ergriffen werden.

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About Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Inhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

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