Sicherer Ort, Teil 3

Artikel-Serie "Sicherer Ort"


 

 

 

Der nächste „sichere Ort“, den traumatisierte Menschen gewinnen können, sind Beziehungen. Denn traumatische Erfahrungen sind Beziehungserfahrungen. Es waren andere Menschen, die den betroffenen Leid zugefügt haben, die sie vergewaltigt, geschlagen und erniedrigt haben. Es waren andere Menschen, die Hilfeleistung unterlassen und die Opfer alleine gelassen haben. Die traumatischen Erfahrungen sind daher immer eine Beziehungskränkung.

Beziehungskränkungen brauchen Beziehungsheilung. Wer existentiell beziehungsgekränkt ist, muss misstrauisch gegenüber anderen Menschen sein, muss in seinen Begegnungen und Beziehungen zu anderen verunsichert sein. Deswegen ist die Arbeit am „sicheren Ort“ für uns nicht anders vorstellbar, als dass sie vor allem als Beziehungsarbeit geschieht. Wir müssen den traumatisierten Menschen helfen, relativ sichere Beziehungen herzustellen, wiederaufzubauen. Beziehungsverletzungen brauchen Beziehungsheilung. Dies geht durch die Erfahrungen des Misstrauens hindurch. Wir müssen Misstrauen zulassen. Wir müssen den Menschen helfen, dass sie unterscheiden können, wem sie misstrauen und wem sie vertrauen können und woran sie dies festmachen. Diese Beziehungsarbeit schafft Annäherungen an sichere Beziehungen und damit an einen „sicheren Ort“, der den Kern der Verletzung, nämlich die Beziehungskränkung, schrittweise heilen kann.

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About Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Inhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

3 Kommentare zu “Sicherer Ort, Teil 3

  1. Ich würde gerne fragen, anhand welcher Merkmale traumatisierte Menschen erkennen können, ob sie jemanden vertrauen und Mißtrauen beseitigen können.

    • 100prozentige Sicherheit kann es nie geben, aber es lohnt sich, darüber nachzudenken und die eigenen Erfahrungen zu bewerten. Wie das jemand erkennen oder zumindest erahnen kann, ist unterschiedlich von Person zu Person. Manche traumatisierte Menschen haben herausgefunden, dass ihnen die Stimme wichtig ist, andere der Blick der Augen, die Berührung, der Geruch, die Körperhaltung und Bewegung … Und es hilft, andere Menschen zu testen: Hört jemand mir zu? Ist jemand interessiert? Spielt jemand Machtspielchen oder nicht? Muss ich mich immer melden oder ist das ungefähr im Gleichgewicht? Kann jemand Vertrauliches bei sich behalten? Wie redet jemand über andere? Stimmen Worte und Handlungen überein? … Gegen geübte Betrüger*innen bin auch ich nicht gefeit und falle auch sie herein. Aber es lohnt sich, das Misstrauen nicht nur als gegeben hinzunehmen und es zu überprüfen.
      Es geht auch nicht darum, das Misstrauen gleich durch Vertrauen zu ersetzen. Es geht um kleine Schritte, ein Schritt vor, innehalten, ein Schritt vor oder zwei, einer zurück, dann wie vor … usw. Wer warten, bis volles Vertrauen da ist, wird sich nie bewegen. Also: Misstrauen ernst nehmen, immer wieder überprüfen und kleine Schritte wagen.
      Viel Erfolg

  2. Was für wunderschöne, hoffnungsvolle, tröstende Worte. Manchmal werden Worte nicht nur richtig gewählt, sondern entfalten in ihrer Zusammenstellung ein Gefühl von Wärme, Verstandenwerden und Geborgenheit.

    Nicht nur in diesem Artikel.

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