Der leise Schrei: Warum manche Menschen so ungern Hilfe annehmen können!

Wir begegnen in der Traumahilfe oft Menschen, die ungern oder gar nicht Hilfe annehmen können. Das kann Beratung, Therapie oder andere Unterstützung betreffen. Wenn sie dann zum Beispiel in einer Therapie erfahren haben, dass Hilfe wirkt, erleichtert, stärkt, verstehen sie oft ihre frühere Haltung nicht.

Der Hintergrund für diese Abwehr gegen Hilfe kann natürlich in einer Erziehung liegen, die vermittelte: Du musst alles alleine schaffen! Oder „Hilfe ist Schwäche, ist Versagen!“ Viele Männer, aber auch zahlreiche Frauen sind mit solchen Werten groß geworden und haben Schwierigkeiten, sich davon zu befreien. Sie müssen lernen, dass es eine Stärke bedeutet, Hilfe anzunehmen. Wer sich angesichts von Gewalt und anderem hilflos fühlt, spürt in sich den zumindest leisen Schrei nach Hilfe. Nichts anderes bedeutet das Gefühl der Hilflosigkeit.

Noch ein anderer Aspekt ist für Opfer traumatischer Gewalt in diesem Zusammenhang wesentlich: die Erfahrungen in der Zeit danach. Die Zeit nach dem traumatischen Ereignis zählt zum Traumaerleben. Die meisten Menschen haben in der „Zeit danach“ die Erfahrung gemacht, dass sie mit ihrem Leid allein geblieben sind. Sie fanden kein Gehör, keine Unterstützung, keine Parteilichkeit. Also mussten sie alleine die Erfahrungen des Schreckens bewältigen. Diese Erfahrung prägt die weitere Haltung zur Hilfe. Alles alleine zu bewältigen, ist für sie so selbstverständlich geworden, dass sie Hilfe ablehnen, auch wenn sie nun angeboten wird. Ja, Hilfe anzunehmen, kann zur scheinbaren Bedrohung werden für die Haltung, es alleine zu schaffen.

Wenn wir solche Zusammenhänge verstehen, können wir leichter verstehen, warum Menschen Hilfe ablehnen, auch wenn sie sie brauchen. Wir können damit weicher umgehen.

Wer betroffenen Menschen solche Zusammenhänge erklären, können sie weicher werden und oft bereit sein, die Annahme von Hilfe zu wagen.

About Udo Baer

Dr. phil. (Gesundheitswissenschaften), Diplom-Pädagoge, Kreativer Leibtherapeut AKL, Mitbegründer und Wissenschaftlicher Berater der Zukunftswerkstatt therapie kreativ, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für soziale Innovationen (ISI) sowie des Instituts für Gerontopsychiatrie (IGP), Vorsitzender der Stiftung Würde, Inhaber des Pädagogischen Instituts Berlin (PIB), Autor

9 Kommentare zu “Der leise Schrei: Warum manche Menschen so ungern Hilfe annehmen können!

    • Das geht wahrscheinlich nur in ganz kleinen Schritten. Suchen Sie zunächst nach einer Person, der Sie vertrauen. Und bitten Sie um eine kleine Mini-Hilfe. Und dann steigern Sie langsam.
      Auch fragen hilft: Würdest du mir helfen, wenn ich darum bitte?
      Auch das große UND kann unterstützen: Ich traue mich nicht, um Hilfe zu bitten, UND ich will es probieren und lernen.

  1. Besonders bitter ist es, endlich, endlich um Hilfe bitten zu können, diese aber abgelehnt wird, bzw. in einer Warteschleife sich wiederfindet. Ich empfinde das als verheerend verantwortungslos.

  2. Das Thema „Hilfe annehmen“ ist auch bei meinem Bruder schwierig. Seine Frau ist verstorben und er ist in einem tiefen Loch. Er braucht dringend psychologische Hilfe, möchte sich aber nicht öffnen. Uns tut das sehr weh, ihn leiden zu sehen, ohne etwas tun zu können. Ich werde ihm, wie Sie raten, mal passende Texte dazu schicken.

  3. Wie dringen ich zu jemandem durch, der Hilfe benötigt? Die Texte dürften nichts nützen in diesem Fall. Ist es besser, sich immer wieder anzubieten oder denjenigen in Ruhe zu lassen? Habe Angst, dass das böse endet.

  4. Guten Morgen,
    Ich habe im Lauf der Jahrzehnte gelernt Hilfe an zu nehmen oder um Hilfe zu bitten wenn es im Alltag überzeugend wichtig und sinnvoll war und ich vor allem bei Person dabei durch Erfahrungen im liebevollen Umgang mit mir sicher war. Das dauerte viele kontrollierte Situationen der Ablehnung oder teilweisen Ablehnung lang.
    Trotzdem bemerke ich ablehnende aufbäumende Gefühle in der Begegnung mit manchen Personen die freundlich sind um ihre netten Gesten an zu nehmen und ich weiß inzwischen daß es die verzweifelte Wut ist zu spüren daß es nicht möglich war zu vertrauten Personen diese Bitte zu äußern weil sie die Verursacher der Schmerzen waren. Es tut unendlich weh in der eigenen Familie keine Geborgenheit zu zu finden und das Elend alleine aus zu halten weil kein Ausweg möglich ist – diesen Schmerz zu verdrängen habe ich mich wohl 45 Jahre bemüht bis es mir wohl heute möglich ist ihn mit sehr reifem Mitgefühl und Halt zu zu lassen.

    Der verzweifelte Wunsch nach einer Familie und liebevollen Beziehungen darin ist ein kindlicher Wunsch der ohne solche Erfahrungen lange nach Halt sucht und nicht weiß wie er aussehen könnte ohne erlebte gute Anhaltspunkte – Kinder verweigern oft bestimmte Dinge und man könnte meinen sie folgen ihrer Intuition. Ich habe bislang die Hilfe von quasi verlogenen Menschen richtiggehend verabscheut weil sie mein persönliches Empfinden von Familie – nämlich aufrichtig empathische und beschützende Begleitung nicht verlässlich erfüllen – das ist mein Anspruch an das Leben und darum bemühe ich mich schon immer täglich um nie eine annähernd schreckliche Situation erleben zu müssen wie damals – daß ich das bin habe ich auch erst spät erkannt weil ich auf diese Weise nicht nur verdrängt habe sondern einen Teil meiner eigenen Persönlichkeit gelebt habe die ich an mir inzwischen mit Freude schätzen kann.

  5. Ich kenne gleich 2 Fälle, die schwere Schicksale erlitten haben. Geld, Tod eines Freundes/in der Familie, Krankheit. Ich schildere, dass hier sehr schlicht, da ich es so langsam am aufgeben bin, warum man an seinem Leid sozusagen ersticken will. Man hat doch nur das eine Leben. Ich bin selbst auch nicht verschont geblieben und habe alle 3 Erfahrungen, evtl. nicht das richtige Wort, durchlebt.
    Und lasse mir helfen, wenn ich ‚feststecke‘
    Soll ich ab jetzt meine Angebote besser lassen, bzw. Hilfe lassen oder wie reagiert man am besten, auch um sich zu schützen, wenn keine ‚Besserung‘ bei der Person folgt.

    • Ja, was soll man tun? Wenn jemand absolut keine Hilfe annehmen will, steht an loszulassen. Auch wenn das traurig ist. Sagen Sie dabei dem Menschen, dass Sie das traurig macht.
      Herzliche Grüße

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